PR Rotes Imperium 02 - Requiem für Druufon
ist nicht...«
»Eiskalt, Vater! Die Stirn ist eiskalt!« Die Stimme des Zehnjährigen überschlug sich. »Wir ... wir müssen ...« Seine Worte gingen in ein ersticktes Weinen über.
Bavo Velines stand still im Türrahmen und beobachtete das Geschehen. Dass Isaih die Leiche entdeckt hatte, war ein unglücklicher Zufall. Immerhin wusste der Junge nicht, was da vor ihm auf dem Boden lag. Er glaubte, die Leiche sei seine Mutter.
Mauro und Armana hatten gemeinsam entschieden, ihm zu verheimlichen, dass ihr Sohn seit mittlerweile zwei Jahren mit Filiaten seiner Eltern zusammenlebte. Mit acht Jahren sei er zu klein gewesen, um das verstehen zu können. Mittlerweile war er zehn, und auch in den nächsten Jahren hätten ihm seine Eltern nicht die Wahrheit offenbart. Davon war Bavo überzeugt. Nun würde ihnen keine andere Wahl mehr bleiben: Die gebrochenen Augen und die rot verfärbte Haut redeten eine deutliche Sprache, der Junge musste glauben, dass seine Mutter tot vor ihm lag.
An Isaihs Hals entstanden winzige, dunkle Hautschüppchen, Auswirkungen der Druuf-DNA, die sich schon seit der Kleinkindphase nur bei starker innerer Erregung auch äußerlich manifestierten. »Sie ist tot!« Das Gefieder im Bereich der Taille sträubte sich und wölbte den grünen Stoff des Shirts, dass es aussah, als walle dort ein bizarrer Ring aus Fett an dem sonst dürren Leib.
»Ist sie nicht«, unternahm Mauro einen schwachen Versuch, seinen Sohn zu beruhigen. Als Vater versagte er schon seit Jahren kläglich. Bavo amüsierte sich schon lange über die ungeschickten Bemühungen des Genetikers, einen besseren Zugang zu seinem Sohn zu finden.
Isaihs Hand zitterte an der Wange seiner Mutter. »Was machst du mit ihr, Vater? Warum tust du ihr das an?«
Kein Laut drang über Mauros Lippen, die Hilflosigkeit stand ihm ins Gesicht geschrieben.
»Worauf willst du hinaus, Junge?«, mischte sich Bavo ein und trat einen Schritt näher.
»Das ist doch nicht das erste Mal, dass Vater sie getötet hat. Ich hab sie schon ein paar Mal so gesehen!«
Quinn gab ein leise würgendes Geräusch von sich, dann wankte er mit kleinen Schritten auf seinen Sohn zu und streckte die Hände nach ihm aus. »Aber ich habe sie nicht getötet! Wie kommst du darauf? Ich würde nie etwas tun, das deiner Mutter wehtut oder sie...«
Isaih schlug nach den Händen seines Vaters. »Fass mich nicht an, du Monster! Warum hast du Mama das angetan, warum?«
»Aber ich habe sie nicht getötet«, wiederholte er. »Ich habe deiner Mutter noch nie etwas Böses getan.«
»Hilf mir, Onkel Bavo! Schick ihn weg! Schick ihn weg!«
Am liebsten hätte Velines laut losgelacht. Ausgerechnet ihn bat der Junge um Hilfe? Bavo konnte sich nicht erklären, wieso Isaih an ihm einen Narren gefressen hatte, und das schon seit Jahren. Dabei hatte Bavo weder früher an dem ständig schreienden Baby etwas Liebenswertes gefunden, noch interessierte er sich für das abweisende und scheue Kind, zu dem sich Isaih inzwischen entwickelt hatte.
Mauros Hände zitterten. Das Gesicht war eine steinerne Maske. Er suchte Bavos Blick. Ja, hilf ihm, schien er zu flehen, und hilf mir! Ich weiß nicht, was ich tun soll.
»Ich weiß, was dir helfen wird. Aber du musst es wirklich wollen. Es wird dir vielleicht nicht gefallen.«
Isaih wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel. »Sag mir, warum er mich anlügt, warum er Mama immer wieder tötet und sie dann wiederauferstehen lässt.«
»Aber das tut er gar nicht. Niemand kann etwas ins Leben zurückbringen, das wirklich tot ist.«
»Vater schon. Er ist Genetiker. Und ich hab doch gesehen, dass Mama schon ein paar Mal tot war. Einmal ist ihr das Blut sogar aus den Augen gelaufen.«
Mauro schluchzte. Der Genetiker machte den Eindruck eines zerbrochenen Mannes, den jeglicher Lebensmut verließ.
»Du hast viel mehr beobachtet, als wir geglaubt haben«, sagte Bavo. »Du hättest es uns schon viel früher sagen sollen. Aber wir können dir helfen.« Er griff nach dem Arm des Jungen, und Isaih sträubte sich nicht. »Es ist an der Zeit, dass du die Wahrheit erfährst. Nicht wahr, Mauro?«
Der Genetiker widersprach nicht. Er stand mitten im Raum und rührte sich nicht.
»Komm mit mir.« Bavo zog an Isaihs Arm.
»Wohin?«, fragte der Junge.
»Durch die Tür, die dir immer verboten war.«
Die strähnigen Haare in Isaihs Nacken, die rudimentären Federbüscheln ähnelten, richteten sich auf. Einen Augenblick lang schien er Angst vor der eigenen Courage zu
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