PR TB 014 Die Nacht Des Violetten Mondes
Rücken. Die Hand, die das Bronzebeil
hielt, schwang nach hinten - der Arm reckte sich zurück. Dann
fuhr der Arm hoch und warf die schwere Waffe vorwärts. Die
messerscharfe Schneide drehte sich langsam und krachte dicht neben
Lakebavo in die Lehne des Thronsessels, Anahaj hielt sich noch einige
Sekunden aufrecht, lange genug, um Scott herankommen zu sehen. Dann
fiel er langsam auf das Antlitz und blieb zusammengekrümmt
liegen. Nur ein wenig Blut sickerte aus der kleinen, tödlichen
Wunde. Scott Rhettnys hob die linke Hand, zog mit der Rechten seine
Waffe und sagte laut: „Die Rache gehört mir.“
Dann schoß er.
Als das Feuer gelöscht war, das die Grashütten, die
Sessel und die kostbaren Palavermatten vernichtet hatte, stieß
man unter der weißen, stäubenden Asche auf den verkohlten
Körper des Schamanen. Der fremde König begann zu sprechen,
und seine Worte waren nicht freundlich.
5.
Am Rand des Sternhaufens M-13 strahlte die kleine rote Sonne wie
ein schläfriges Auge. Whaiang Madira war der vierte Planet des
Systems Snarf und das gesamte Jahr herrschte über der
Riesenstadt aus weißen Steinen ein ausgeglichenes Klima;
subtropisch und gemäßigt. Tief im Herzen Madira Citys aber
pochten und wisperten gewaltige Maschinen...
*
Plötzlich war er da, niemand wußte, woher er gekommen
war.
Er trug die Zeichen der obersten Kaste; eine weiße Tunika,
roten Gürtel und Sandalen mit Kreuzschnüren, dazu flache
Goldreifen um Arm und Handgelenk. Und er stand im Schatten auf dem
runden Hochplatz. Weit unter ihm lagen die viereckigen Felder der
Bauern. Sie waren es, die für die Existenz der City sorgten;
ohne die Früchte und die Tiere waren die Stadtbewohner verloren.
Hoch über der steinernen Wüste aus weißem Marmor
stand die breite Front des Hauses vom Kyberna.
Für diesen Morgen hatte Kyberna einen Leitgedanken
ausgegeben: „ Verdacht, das Größte zu ergründen.“
Necca Etain war groß und breitschultrig. In jeder seiner
Gebärden lag feierliche Eindringlichkeit, und seine Schritte
waren bedächtig und langsam, als er die breite, weiße
Treppe hinaufstieg. Zwei Männer, ähnlich gekleidet wie er,
kamen ihm entgegen.
Er sprach sie an.
„Das Größte“, sagte er langsam und
deutlich, „ist nicht Materie, sondern der Gedanke, der einen
Freund gewinnen hilft.“
Er ließ die beiden verblüfften Männer stehen und
stieg weiter. Die Stadt war fast viereckig angelegt und befand sich
auf einem natürlichen Hügel. In ihr wohnten zehntausend
Menschen, denen körperliche Arbeit als Schande galt. Sie taten
seit hundert Jahren nichts anderes, als zu diskutieren, sich an
geistigen Wettkämpfen zu beteiligen und ein ereignisloses Leben
zu führen. Es gab für sie nicht die geringste
Notwendigkeit, sich anders zu beschäftigen als beim Brettspiel
oder in der Unterhaltung.
Necca betrachtete sinnend die Schrift, die in meterhohen Lettern
auf dem langen Spruchband erschienen war.
Jeden Tag stießen die unterirdischen Maschinen eine neue
Regel aus, in deren Zeichen die nächsten vierundzwanzig Stunden
stehen würden. Der Vorgang ließ sich mit einem Rad
vergleichen, das mit großem Kraftaufwand gedreht wurde - und
nichts bezweckte, außer sich zu drehen.
„Gehen Sie, Necca!“ hatten sie ihm gesagt.
„Bringen Sie eine wohl durchdachte Panik unter die Leute
dieser Stadt. Versuchen Sie, die Menschen zum richtigen, zum
gerichteten Denken anzuregen. Sabotieren Sie die Maschinen, schlagen
Sie den Meister des Brettspiels und beweisen Sie durch Thesen und
lange Reden, daß letzten Endes nichts mehr helfen kann als die
Erde. Das ist Ihre Aufgabe.“
Necca lächelte.
Er blieb stehen, als er auf eine Gruppe trat, die sich vor einem
weißen Wohnhaus befand und ihm entgegensah. Ruhig sagte er,
während er die Gestalten der Stadtbewohner musterte: „Das
größte Ding aber ist, daß die gesamte Stadt nicht
weiß, daß sie sterben wird. Denkt darüber nach.“
Necca wußte, wie schnell die Gerüchte und die
Vermutungen jetzt durch die City rasen würden. Er ahnte, daß
sich immer mehr Menschen mit seiner Person beschäftigen würden
und ihn schließlich dort haben würden, wo er eigentlich
stehen sollte - in der großen Stadthalle. Dort wurden die
Rededuelle ausgetragen, dort mußte er, Necca, siegen. Er ging
ruhig weiter. Im Geist verglich er die Straßen der Stadt mit
den Plänen, die er gesehen hatte. Was er suchte, waren die
Eingänge zu den unterirdischen Kammern der großen
Maschine, die seit hundert Jahren
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