PR TB 014 Die Nacht Des Violetten Mondes
angesteckt
waren, liefen kreischend herum; niemand kümmerte sich um sie.
Sämtliche Bürger liefen durch die Straßen.
Necca saß auf einer Mauer und lachte. Er blickte in
fassungslose, bleiche Gesichter, hörte die Tritte der Sandalen
und das Patschen nackter Füße. Kleine Gruppen bildeten
sich aus den Wirbeln, lösten sich wieder auf und entließen
ihre Mitglieder nach allen Seiten, andere Gruppen bildeten sich.
Jeder schien jeden zu fragen, und niemand wußte eine Antwort.
Lebensmittel und Weinkrüge wurden von Männern
fortgeschleppt, und Frauen rissen ihnen die Dinge aus den Armen.
Krüge und Schüsseln zerbrachen, und roter Wein bildete
große, blutrote Lachen auf dem weißen Stein.
Der Schein der Sonne lag über allem.
Geduldig wartete Necca, bis die Nacht kam und alles etwas
beruhigte. Eigentlich war es furchtbar; diese Menschen in ihrer
elementaren Hilflosigkeit liefen umher wie von Furien gepeitscht. Sie
wußten nicht, was sie tun sollten, wie sie sich zu verhalten
hatten... die Vernunft schien aus der Stadt geflohen zu sein, als
sich Kyberna auflöste. Aber dieser Schock war notwendig. Die
Stadtbewohner stellten die Elite dieses Planeten dar; wer mit ihnen
sprach, sprach mit der Vertretung Whaiang Madiras. Wenn Scott kommen
würde, war die Zeit reif. Dann würden sie sich erinnern, in
so unglaublich kurzer Zeit, daß sie selbst staunen würden.
Und wieder war ein Planet gewonnen.
Als es dunkel war, zündete Necca eine der vorher zur Seite
gelegten Fackeln an und ging hinunter auf einen der größten
Plätze. Dort gelang es ihm binnen kurzer Zeit, eine dichte
Gruppe von ratlosen Männern um sich zu versammeln.
„Ich sage es“, redete er sie an, „aber ihr
glaubt es nicht.“
„Du hattest recht, Fremder. Was sollen wir tun?“ Necca
hob die Hand.
„Ihr sollt noch fünf Tage warten. Wenn der Hunger, der
Durst und die Angst ihren Höhepunkt erreicht haben, wird ein
Mond am Himmel erscheinen - es ist kein Mond, sondern das Schiff
meines Freundes, der euch helfen wird - und landen. Es wird hier auf
dem großen Platz niedergehen und die Dinge wieder aufbauen, die
zerstört worden sind. Viele Männer werden herauskommen, die
Stadttore öffnen und Lebensmittel hereinlassen. Auch das Wasser
wird wieder sprudeln. Wartet mit mir also auf die Nacht des violetten
Mondes.“
„Fünf Tage lang - Fremdling, es ist jetzt schon
furchtbar!“
„Es wird noch viel furchtbarer werden. Not und Elend werden
euch heimsuchen... die Sklaven hungern, weil ihr Herr starb. Ist es
nicht so?“
Über die Antwort war niemand mehr erstaunt als Necca.
„Wir sehen es ein. Wir waren Sklaven dieser Maschine, und
wir sind jetzt dafür gestraft worden. Wir sind herrenlos, da
Kyberna starb.“ „So ist es“, sagte Necca. „Warten
wir also.“ Alles war erstorben. Die Energieversorgung hatte
Licht und Wärme ausgeschaltet - nichts funktionierte mehr in der
gesamten Stadt. Nach zwei Tagen bereits war die Not nicht mehr zu
steigern - so dachten die Menschen. Hohläugige, hungernde und
dürstende Menschen schlichen umher, sahen scheu auf Necca, der
im Schatten neben dem Brunnen saß und den
Vögeln zusah. In den folgenden drei Tagen steigerte sich der
Zustand in ein nie gekanntes Extrem hinein.
„Heute kommt die Nacht des violetten Mondes. Erwartet das
Licht von den Sternen“, sagte Necca. Seine Worte durchliefen
wie ein Feuer die Menge; die Leute waren hilflos und in jeder
Hinsicht unfähig, ihr Schicksal in eigene Hände zu nehmen.
Terranische Kolonisten auf anderen Welten hätten binnen weniger
Stunden über die Mauern hinweg einen Versorgungsweg eingerichtet
oder einen Teil der Mauern aufgebrochen; hier geschah nichts. Necca
saß im Schatten und kaute auf seinen Konzentrattabletten, von
denen er noch wochenlang hätte leben können. Ein hungernder
Hund lief ihm zu und legte sich ihm zu Füßen. Necca
verfütterte zwei Tabletten an das Tier, und er mußte
feststellen, daß er in Madira City mindestens einen treuen
Freund besaß.
Die planetare Mitternacht kam immer näher...
6.
„Möchtest du noch etwas Kaffee?“ fragte D’Arcy
und blickte auf.
Toni schüttelte den Kopf und schluckte seinen letzten Bissen
Toast hinunter. Cimarosas Blick fiel auf die Seite der Zeitung, die
D’Arcy vor sich liegen hatte; es interessierte ihn, und er
drehte das Blatt herum.
In der Gesellschaftsspalte stand, daß Mr. Randolph Keegy vor
drei Tagen aus dem Krankenhaus entlassen worden war. Er war dort
wegen der Verletzungen behandelt
Weitere Kostenlose Bücher