PR TB 020 Das Gesetz Der Gläsernen Vögel
Sie mir Gesellschaft?«
»Sicher - danke! Was werden Sie im Urlaub unternehmen?«
»Ich habe eine Aufgabe erhalten, die reizvoll zu werden
verspricht.« Alexandra bemerkte den versunkenen Blick der
jungen Frau. Kail war hingerissen von ihrer Vorgesetzten; abgesehen
von den fünfzehn Jahren Altersunterschied gab es so viel zu
bewundern. Alexandras Kopf war bemerkenswert. Schwarzes,
kurzgeschnittenes Haar, das unter bestimmtem Lichteinfall
kastanienfarben aufschimmerte, bildete den Rahmen eines energischen
Gesichts mit großen Augen. Die Lachfältchen und einige
sichelförmig angeordnete Sommersprossen an der Nasenwurzel waren
es, die auf Alexandras wirkliches Alter hindeuteten. Der Kopf war
nicht schön, aber rassig, und Alexandra verdankte es dieser
Tatsache, daß man sie als Persönlichkeit betrachtete. Die
heisere Stimme, mit der sie
spielte wie ein Künstler auf einem Instrument, unterstrich
den Eindruck des Außergewöhnlichen. Kau fragte leise:
»Aufgabe… wollen Sie weiterarbeiten?« Alexandra
trank einen Schluck Kaffee und antwortete: »Mein Bruder, der
große Psychologe, hat eine aufregende Entdeckung gemacht. Wenn
alles stimmt, was er in Erfahrung gebracht hat, wird er noch
bekannter, als er bereits ist. Ich habe den Auftrag, einen bestimmten
Mann auf eine bestimmte Spur zu bringen. Plan und Zutaten lieferte
mein Bruder.«
Kau Avon zuckte mit den schmalen Schultern. Sie sah hilflos und
rührend jung aus. In Kails Alter, dachte Alexandra einen
Augenblick lang voll Bitterkeit, hatte sie sich verlobt.
»Mehr dürfen Sie sicher nicht sagen, Alexandra?«
fragte Kail. Alexandra schüttelte langsam den Kopf. »Nein.
Gehen Sie schlafen, Kind. Ihnen fallen die Augen jetzt schon zu. Die
Kabinen vier bis acht sind strapaziös, stimmt es?«
»Sie sind unausstehlich«, antwortete Kail und stand
auf.
»Immer«, meinte Alexandra mit jener milden Ironie, die
sie zu einer gefürchteten Gesprächspartnerin machte, »wenn
Schriftsteller reisen, die sich für berühmt halten, werden
sie anspruchsvoll. Es ist ein Greuel - aber dafür werden wir
bezahlt.«
Kail lächelte matt: »Das ist das einzige, das mir die
TTL erträglich macht.«
»Glauben Sie mir, Kail«, sagte Alexandra, sie wurde
plötzlich sehr ernst, »Sie werden, falls Sie es lange
genug ausholten, eines Tages sehr froh sein, dies alles erlebt zu
haben. Ein großer Teil der Erfahrungen, um die Sie mich
beneiden, stammt hiervon.«
Kail sah Alexandra schweigend in die Augen, so lange, bis
Alexandra wieder lächelte und sagte: »Gute Nacht. Ruhen
Sie sich aus.«
»Danke«, sagte die Malayin leise. »Gute Nacht.«
Die Kabinentür schloß sich unhörbar. Alexandra
blickte eine Weile lang auf die Platte, die mit
Kunststoffumier versehen war; es sollte Taipuholz vortäuschen.
Das Lächeln wurde schmerzlich, verging, kehrte wieder, als
Alexandra weiterlas. Zwei Stunden später wußte sie über
jede Einzelheit ihres Auftrages Bescheid. Sie verschränkte die
Arme hinter dem Kopf und merkte, daß sie das breite
Armband nicht abgelegt hatte; es drückte gegen den Nacken.
Der Schmuck klirrte auf dem Brett, stieß an die Tasse.
Alexandra überlegte.
Arkon, Tharc Yser, Tharc Aulaire, Mart Keenra, der Transmitter
und die Hypnose, Glynth und all das, was dort zu erwarten war; nicht
einmal Robert wußte, wie es dort aussah. Die Überlegungen
des toten Piraten. Es war bizarr, abwegig… märchenhaft. Auch
ihr Auftrag war es. Eines aber blieb: Ihre persönliche Chance.
Sie hatte das Glück, einen Mann zu treffen. Eine der
schillernden Persönlichkeiten, die Rhodans Imperium
hervorgebracht hatte. Ein Mann, von dem man bis zur Ankunft in
Terrania träumen konnte. Alexandra schaltete das Leselicht aus
und war fast sofort eingeschlafen. Der Passagierraumer CUTTY SARK
raste weiter, Terrania entgegen. Bis zur Landung waren es noch
vierundneunzig Tage. Alexandra Kara-MacLeod schlief…
Das Licht des Morgens weckte Yser. Er schrie auf bei dem Versuch,
sich aufzurichten. Der Sonnenbrand schmerzte bei jeder Bewegung; ein
bisher unbekannter Schmerz. Langsam und vorsichtig stand Yser auf,
warf einen Blick von der Plattform hinunter und blieb regungslos
stehen. Es dauerte eine volle Minute, bis er Einzelheiten
unterscheiden konnte. Der aufgerissene Rachen mit den vier Reißzähnen
und die zerschmolzenen Hornklauen strahlten noch jetzt, einige
Stunden nach dem Tod des Tieres, eine Aura tödlicher Gefahr aus.
Keenra wachte auf. Sie warf sich herum, blickte zuerst auf Yser
und
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