PR TB 038 Die Grenze Des Imperiums
und
Freunde, die man haben kann. Ein Tiger, wenn man ihn reizt.«
»Du verstehst es, deine Freunde zu verkaufen, Takan.«
»Kelly verkauft sich selbst besser alsjede Werbeagentur. Gib
ihm Gelegenheit, dich kennenzulernen, und du verlierst die Scheu
binnen Minuten.«
»Vielleicht später. Nicht heute.«
»Kind«, sagte Takan und band sich die Schürze ab,
»nütze den Tag und bestimme die Stunde. Kelly ist genau
der, den sich zwei-hunderttausend Mädchen zum Geburtstag
wünschen. Und du bist hier. Jetzt und hier - aber du mußt
selbst wissen, was du tust. Kelly wartet entweder sehr lange oder
nicht eine Sekunde.«
»Vorläufig warten wir auf ihn.«
Takanji grinste. »Und auf seine Flasche voller Kirschwasser.
Er schleppt ständig einen Kabinenkoff er voll mit sich herum.
Voller Schnaps und voller Bandspulen mit Barockmusik. Er ist ein
Kulturfanatiker in dieser Beziehung.«
Wieder klopfte es.
Takanji ging zur Tür und öffnete. Ein dunkelhaariges,
schlankes Mädchen stand auf der obersten Stufe der Treppe. Sie
trug
einen bodenlangen, dunkelroten Rock und eine Bluse, die aus lauter
Spitzen bestand; dicht vor dem Bungalow stand ein kleiner Gleiter mit
dem Abzeichen der Technischen Abteilung auf der Haube. »Azeema,
Zeichnung meiner kahlen Wände, komm herein, begrüße
Jeangeerd und fühle dich so wohl, wie es möglich ist.
Entschuldige, daß ich dich nicht abgeholt habe, aber ich durfte
kochen. Kelly ist noch nicht da, doch er wirdjeden Augenblick...«
». .. eintreffen. Und er hat sich sogar rasiert«,
sagte Kelly, der aus dem Schatten in das helle Muster der Treppe
trat, dem Mädchen die Hand schüttelte und Takanji auf die
Schulter schlug.
Die Tür fuhr in die Lager zurück, und die drei Personen
gingen in den Raum hinein.
Kelly betrachtete kurz das Arrangement des Tisches, beugte sich
dann hinunter zu Jeangeerd und begrüßte sie mit einem
Handkuß; er schätzte diese Form der Überraschungen.
Jeangeerd war verwirrt, aber sie fing sich schnell.
»Sie schwärmen«, sagte sie und versuchte, in
seine Augen zu sehen, »für barocke Musik und barocke
Manieren. Das ist ein hohes Zeichen von Kultur, glaube ich.«
Kelly setzte sich ihr gegenüber und erwiderte:
»Beides scheint Ihnen nicht sehr bekannt zu sein.«
»Noch nicht, aber vielleicht lerne ich es von Ihnen.«
»Gern. Anruf genügt. Ich komme ins Haus. Mit
Demonstrationsversuchen. Ich bin ausgesprochen hingerissen von der
stilsicheren Kunst meines Freundes. Takan, das ist beeindruckend.
Eine Oase der Kultur im Goldgräberlager von Provisorium City.«
»Wo ist die Flasche, Kelly?« fragte Takanji und
deutete mit der Spitze des Fleischmessers auf Morteen.
»Hier«, sagte Kelly und zog neben seinem Sessel eine
dreiviertelvolle Flasche in die Höhe. »Wenn sie leer ist,
sind wir zu munteren Streichen aufgelegt, alle vier. Ich schlage vor,
wir streuen Niespulver in die Ventilation von Staighers Bungalow. Wo
ist er eigentlich? Ich sah kein Licht. Auch nicht in der Behausung
von unserer Epidemiebekämpferin.«
Sie schwiegen, als Ashikaga den Wein einschenkte und ein Tablett
voller Fleisch, unzähliger Gemüsesorten und verschiedener
Soßen heranbrachte und neben dem Tisch abstellte.
Azeema hob das Glas, blickte Kelly an und sagte halblaut:
»Miriam und Michail sind zusammen in Staighers Gleiter
weggeflogen, in genau südlicher Richtung. Heute schon zum
viertenmal seit zehn Tagen. Sie werden baden, vermute ich.«
»So wird es sein«, sagte Kelly und beobachtete
unauffällig die Negerin ihm gegenüber. Einen Moment lang
glaubte erjenen Zug schweigender Konzentration in ihrem schmalen
Gesicht gesehen zu haben, den Menschen zeigen, die scharf nachdenken
und es verbergen wollen.
»Ich freue mich«, sagte Jeangeerd plötzlich,
»hier zu sitzen. Alles ist so ruhig und schön. Man könnte
einfach einschlafen — nein; nicht schlafen ... träumen.«
»Zu nichts anderem habe ich diese Umgebung dekoriert«,
sagte Takanji und drehte die Lautstärke zurück. »Das
sind die Freuden alternder Männer. Ein gutes Essen, die
Gesellschaft junger Mädchen, ein Glas edlen Alkohols und
tiefschürfende Gespräche über unzählige Dinge.«
Azeema lachte unbeeindruckt.
»Man kann die Bescheidenheit auch untertreiben, Takan.«
Takan verteilte das Essen. Es schmeckte herrlich, und nicht ganz
eine Stunde lang widmeten sie sich ausschließlich den
unzähligen Schälchen, den verschiedenen Beilagen und den
drei Sorten Fleisch. Dazu tranken sie den schweren süßen
Wein, bis
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