PR TB 040 Herr über Die Toten
erkannte, daß sie bedeutend weiter sein mußte, denn
Caluga hatte lediglich ein Loch in eine trügerische Schneebrücke
gerissen, als er stürzte.
“Das Seil!” befahl ich.
Finch hatte das Seil, das wir in Erwartung von Hindernissen
mitführten, bereits von seinem Gürtel losgemacht. Ich nahm
es ihm aus den Händen.
Danach legte ich mich auf den Bauch und rutschte nach vorn, bis
mein Kopf über der Öffnung hing. Als ich die Helmlampe
einschaltete, entdeckte ich eine zusammengekauerte Gestalt auf dem
Grund der Spalte.
“Sind Sie verletzt, Samson?” fragte ich.
“Nur unwesentlich, Sir”, gab Leutnant Caluga zurück.
“Werfen Sie mir das Seil herunter. Ich will sehen, daß
ich es am Gürtel befestigen kann.”
Er versuchte, sich aufzurichten, sank aber sofort wieder in sich
zusammen. Da wußte ich, daß der Leutnant schwerer
verletzt war, als er zugab. Vielleicht war sein Raumanzug beschädigt
worden!
Doch dann wäre er längst tot gewesen.
Ich warf das Seil hinab und ließ es durch meine Hände
gleiten. Caluga fing das eine Ende geschickt auf und befestigte die
kleine Schlinge an einem der Gürtelhaken. Danach begannen Finch
und ich zu ziehen.
Samson versuchte, uns zu unterstützen, indem er sich mit
einem Bein von der Wandung des Spaltes abstieß. Das andere Bein
hing leblos an seinem Körper. Wahrscheinlich war es gebrochen.
Da die Bewegungen des Verunglückten zu ruckhaft waren und keine
Hilfe für uns darstellten, forderte ich ihn auf, sich still zu
verhalten. Er gehorchte, und von da an ging es besser. Die geringe
Schwerkraft Sevens verminderte das Gewicht von Calugas schwerem
Körper.
Eine halbe Minute später stand er zwischen uns, gestützt
auf unsere Schultern und von unseren Armen gehalten. Ich sah sein
schweißüberströmtes Gesicht und hörte im
Telekomempfänger das Knirschen seiner Zähne.
“Ich werde die Space-Jet rufen!” sagte ich. “Sie
können in Ihrem Zustand auf keinen Fall gehen, Leutnant Caluga.
Außerdem muß Ihr Bein behandelt werden.”
Stumm schüttelte er den Kopf.
“Seien Sie vernünftig!” mahnte Finch.
“Das bin ichja gerade!” stieß Samson hervor.
“Auf keinen Fall darf die Space-Jet die Spuren verwischen.
Lassen Sie mich hier liegen, bis Sie zurückkommen, Sir!”
“Welche Spuren?” fragte ich erstaunt. “Meinen Sie
im Ernst, wir könnten die Schleifspur des Tieres verlieren?”
Wieder schüttelte der Leutnant den Kopf.
“Warum, denken Sie, bin ich in die Spalte gestürzt?”
fragte er mit vor Schmerz dunkler Stimme. “Ich hätte die
trügerische Schneebrücke auf keinen Fall übersehen,
wenn nicht die Hülse gewesen wäre.”
Finch und ich, wir drehten uns abrupt um. Beinahe hätten wir
Caluga losgelassen. Mein Blick folgte der Schleif spur über den
Spalt hinweg - und da sah ich es ebenfalls: Eine golden glänzende,
zylinderförmige Hülse lag im Eisstaub!
Die Erregung drohte meinen klaren Verstand zu betäuben. Ich
schloß die Augen und atmete tief.
“Sehen Sie!” rief Caluga triumphierend. “Wie
leicht ist diese ,Spur’ zerstört oder unter den Schnee
gedrückt.”
“Und wir dachten”, sagte Elena, “die Spur eines
Tieres zu verfolgen… !”
Die Neurologin hatte recht. Niemand von uns glaubte mehr an die
Spur eines Tieres. Kein Tier vermochte Gegenstände wie diese
Hülse anzufertigen. Dazu gehörte eine hochentwickelte
Technik, die wiederum nur von einer Industrie-Zivilisation geschaffen
werden konnte.
Erz, Energie, Hochöfen, Gußformen, Metallverarbeitung -
und noch mehr war nötig, um eine nur spannenlange Hülse aus
Metall herzustellen. Da aber für die Schaffung einer so
ineinander verzahnten Industrie die quantitativen Voraussetzungen
gegeben sein müssen, dürfte die Zivilisation, von der jener
Gegenstand stammte, eine Bevölkerung von nicht weniger als
zehntausend Individuen besitzen.
So etwas aber gab es auf Seven nicht.
*
“Dennoch entbehrt Ihre Argumentation der Logik”, sagte
ich zu Leutnant Caluga. “Wir brauchen den Gegenstand ja nur
aufzuheben, damit er nicht verlorengeht. Die andere Spur aber reicht,
so weit wir sehen können.”
Samson grinste verzerrt. Offenbar hatte er starke Schmerzen.
“Ich wünsche Ihnen viel Erfolg, Sir!”
Diese Bemerkung ließ mich stutzen. Samson Caluga redete zwar
gern viel und oft sogar unnötig, aber er vermochte ebenso klar
zu denken wie Finch oder Mischa. Vor allem aber ging er nach
Möglichkeit jeder Blamage aus dem Weg. Seine ironische Bemerkung
aber würde ihn
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