PR TB 040 Herr über Die Toten
aus
Goldplastik.
Beim Tempel des Gedächtnisses! dachte Lunor. Sie ist nur eine
billige, kleine Hure, und doch muß sie einmal ein unschuldiges
Mädchen gewesen sein, das mit frohen Augen in die Zukunft sah
und es nicht erwarten konnte, von ihren Wundern zu kosten. Irgend
jemand hatte sie dann in eine Lage gebracht, aus der ihr unreifer
Verstand nur einen einzigen Ausweg sah: den verhängnisvollen Weg
ins Laster…
Er riß sich gewaltsam von den sentimentalen Gedanken los.
“Wie heißt du?” fragte er freundlich.
Ihre unstet suchenden Pupillen verharrten. Sie suchten und fanden
die seinen. Lunor lächelte gewinnend.
“Demorgatia, die Göttin des Spiralnebels”,
flüsterten ihre Lippen. “Ich bin gekommen, um euch zu
erlösen.”
Sie beugte sich vor und zeigte mehr, als vorteilhaft für sie
war.
“Ihr alle träumt nur einen bösen Traum. Ihr seid
nicht wirklich. Ich werde euch wecken und zum wahren Leben führen,
ich, Demorgatia!”
Typischer Fall von akuter Bewußtseinsspaltung! erkannte
Lunor.
“Wir freuen uns, dich kennenzulernen, Demorgatia. Wie war
doch gleich dein früherer Name?”
Ein heftiges Zucken entstellte ihr Gesicht. Die langen, dürren
Finger nestelten unruhig am Kleid.
“Nun… ?” fragte Lunor.
“Noola!”
“Sehr gut, Noola! Nun wollen wir einmal sehen, was wir für
dich tun können. Bleib bitte ganz ruhig sitzen,ja!”
“Ich heiße Demorgatia!” widersprach Noola, aber
es klang gar nicht mehr überzeugend.
Lunor nahm einige Schaltungen am Diagnosepult vor und wartete, bis
der mechanische Hypnotisator Noola in einen Dämmerzustand
versetzt hatte. Danach wandte er sich an den Mann, der hinter ihr ins
Zimmer getreten war und geduldig gewartet hatte.
“Sie sind Eysan?”
Der Mann antwortete nicht sofort. Erst als ihn Lunor ein zweites
Mal fragte, schwand der verträumte Ausdruck aus seinen Augen.
“Jawohl, Direktor. Eysan, Verwalter eines Vergnügungshauses
am…”
“Ich weiß”, fiel ihm Lunor ins Wort. “Erzählen
Sie mir bitte, was Sie über Noola wissen, wie sie lebte, was sie
in Ihrem Hause tat und wie sich der erste Anfall von Schizophrenie
bemerkbar machte!”
Eysan errötete bis unter die Haarwurzeln, was den Direktor zu
einem schnellen Blickwechsel mit seiner Assistentin veranlaßte.
“Mein… mein Haus… dient der Zerstreuung, der Erholung
und der Herstellung von… von… Kontakten zwischen männlichen
und weiblichen Besuchern. Wir besitzen eine Anzahl Zimmer, die auf
Anforderung an… unsere…äh… Kunden vermietet werden. Das
ist aber nicht der einzige Zweck des Hauses. Sensitivkinos, Bars,
Spielsäle und Speiselokale gehören zu unseren
Spezialitäten…”
“Und außerdem eine. Halle des Vergessens’!”
fügte Lunor grob hinzu. “Einen mit den besten Erzeugnissen
unserer Psychoprophylaxe ausgestatteten Raum, in dem neurotische
Kunden in Träume gewiegt werden, in denen sie die Realität
für einige Zeit vergessen!”
Er räusperte sich.
“Kommen Sie nun endlich zur Beantwortung meiner Fragen!”
Eysan nahm unwillkürlich eine steife Haltung an.
“Jawohl, Direktor! Noola kam fast täglich zu uns. Sie
suchte Kontakt mit männlichen Kunden, ging mit ihnen in die
Sensitivkinos, trank in den Bars und mietete dann jedesmal ein
Zimmer.”
“Das sie zusammen mit einem Mann aufsuchte… ?”
Eysan errötete erneut. Dicke Schweißperlen bildeten
sich auf seiner Stirn. Das Thema war ihm sichtlich peinlich.
“Äh….ja… meist. Manchmal aber brachte sie auch
zwei…”
“Was tat sie außerhalb des Hauses?”
“Sie schlief sich aus. Danach kam sie wieder zu uns. Ich
wüßte nicht, daß es schon einmal anders gewesen
wäre. Eine Ausnahme machte sie allerdings in längeren
Zeitabständen. Sie bestellte sich alkoholische Getränke in
ihre Wohnung und trank zwei Tage lang. Am dritten Tag schlief sie
ihren Rausch aus, dann kam sie wieder in unser Etablissement.”
“Weiter!” drängte Lunor, als Eysan schwieg. “Wie
stellten Sie fest, daß Noola in unsere Anstalt gebracht werden
mußte?”
“Sie kam aus der Einzelkabine eines Sensitivkinos und rief
fortwährend, sie sei Demorgatia, die Göttin des
Spiralnebels, und wolle uns erlösen. Zwei meiner Aufsichtsmänner
brachten sie in die Halle des Vergessens. Doch sie sprach auf die
dortigen Mittel nicht an.”
“Kein Wunder!” Lunor warf Eysan einen ärgerlichen
Blick zu. “Die Halle des Vergessens dient bekanntlich nur der
Vorbeugung. Geheilt wird hier! Wenigstens versuchen wir
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