PR TB 040 Herr über Die Toten
zugeteilt, meines
Expeditionsschiffes, wohlgemerkt. Damit unterstehen Sie meinem
Kommando, Miß Jossipowa. Ist das klar?”
Sie rang einige Sekunden stumm mit sich selbst. Dann siegte die
anerzogene Disziplin. Sie senkte den Kopf.
“Jawohl, Sir! Ich erwarte Ihre Befehle!”
Unwillkürlich mußte ich lächeln.
“Okay!” Absichtlich verwandte ich den so vieldeutigen
terranischen Ausdruck. “Nennen Sie mich wieder Lun, Elena. Und
nun erneuern Sie meinen Verband. Sprühen Sie ein elastisches
Schutzplasma über die synthetische Organhaut meiner Verletzung.
Danach helfen Sie mir in meine zweite Kombination!”
Sie führte alle Befehle gewissenhaft aus.
Sie tat sogar noch mehr und injizierte mir ein hochwirksames
Breitband-Stimulans. Danach fühlte ich kaum noch Schmerzen.
Dafür aber hatte ich das Empfinden, es mit jedem denkbaren
Gegner aufnehmen zu können.
“Vielen Dank!” sagte ich, und ich meinte es ehrlich.
“Jetzt begeben Sie sich ins Sanatorium und tun so, als wäre
nichts geschehen, außer daß ich eben leicht erkrankt
bin…”
Elena nickte stumm.
“Vom Sanatorium aus nehmen Sie Kontakt mit Finch auf.
Bestellen Sie ihn einfach offiziell zur Vernehmung über die
Patientin Noola. Aber sorgen Sie dafür, daß sich keiner
meiner Kollegen einmischt. Im Notfall berufen Sie sich auf den
strikten Befehl
von mir, die Vernehmung ,Eysan’ persönlich
durchzuführen. Gehen Sie behutsam vor, Elena. Vermeiden Sie
unbedingt, ihm die ganze Wahrheit sofort zu erzählen. Ich möchte
nicht, daß ,Eysan’ in einer Kurzschlußreaktion zum
Verräter wird. Detaillierte Anweisungen kann ich Ihnen nicht
geben. Sie müssen das Problem selbst lösen, und da Sie
Neurologin sind, werden Sie es auch lösen.” “Und was
sollen wir tun, wenn Captain Eyseman die Wahrheit erkannt hat?”
“Warten!” sagte ich hart. “Warten, bis ich vom
Tempel zurückkomme - oder bis Sie von meiner Verhaftung
erfahren!”
Ich schob sie rasch zur Tür hinaus, damit sie keine Zeit
fand, sentimental zu werden. Das, was vor uns lag, vertrug keine
Sentimentalität!
*
Diesmal konnte ich nicht bis zum Anbruch der Nacht warten. Der
Stein war einmal ins Rollen gebracht worden, und nun half uns nur
noch eines: die Ereignisse so schnell wie möglich
voranzutreiben.
Mein Plan lag fest.
Ich verzichtete darauf, mich von hinten an den Tempel des
Gedächtnisses heranzuschleichen. Bei Tageslicht wäre ich
niemals unentdeckt geblieben. Zwar hatte ich den Hypnoscheinwerfer
wieder repariert - es war nur ein Kontakt geplatzt gewesen -, aber
damit vermochte ich lediglich einen einzelnen zu beeinflussen, und
das keineswegs so, daß eventuelle Zuschauer es nicht bemerkten.
Und noch etwas entschied über mein Vorgehen.
Tagsüber kamen ununterbrochen Bürger der Stadt zum
Vorplatz des Tempels, entweder, um mit zu Boden gerichteten Augen die
Begrenzungslinie abzuschreiten oder einen der aus-und eingehenden
Ältesten des Lun-Klans zu sprechen - die meiner Meinung nach
allesamt Wächter waren, maskierte Helfershelfer der Meister der
Insel oder wer immer dieses Gefängnis eingerichtet hatte.
Niemals hätte ich bei so vielen Bürgern unbemerkt die
rote Linie überschreiten können. Die Menge wäre in
einen Entsetzensschrei ausgebrochen, den man bis zum anderen Ende der
Stadt hätte hören können.
Nur die Ältesten durften die Linie überschreiten… !
Ich reihte mich auf der nächsten Warteplattform in die Reihe
ein, die auf Fahrzeuge wartete. Nach etwa fünf Minuten konnte
ich in ein Gleitertaxi steigen. Ich nannte als Fahrziel ganz offen
den Vorplatz des Tempels.
Während mich der Wagen über Brücken und Hochstraßen
trug, nahm ich das Bild der Stadt Maa Duun in mich auf, gleichsam ein
Verdurstender, der die riesige Wasserfläche eines kristallklaren
Sees vor sich sieht und dabei genau weiß, daß alles nur
Vorspiegelung ist.
Dennoch liebkosten meine Blicke die gläsernen Türme,
lauschten die Ohren den klangvollen Akkorden des Windes, der in den
Glasharfen der Turmbauten spielte. Das alles entsprach so sehr den
alten Überlieferungen, daß beständig Zweifel an mir
nagten und das Bild, das ich erkannt hatte, ins Wanken bringen
wollten.
Doch ich wußte, was die Halle der ewigen Nacht barg - und
ich wußte auch, daß ich mit einer Space-Jet des
terranischen Sternenimperiums gekommen war auf die Oberfläche
von Seven - und nicht von Geburt an in der Stadt geweilt hatte.
Und in diesen Minuten der Fahrt, die sich scheinbar zur Ewigkeit
dehnten,
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