PR TB 040 Herr über Die Toten
wurde abwechselnd heiß und
kalt. Der Schweiß lief mir über die Schläfen. Hatte
ich das Buch etwa unterwegs verloren?
Oder hatte ich es überhaupt verloren?
Oder hatte ich es überhaupt nicht eingesteckt?
“Lassen Sie’s gut sein, Lunor”, sagte Elena
besänftigend. “Schlafen Sie erst einmal darüber.
Morgen sieht alles anders aus.”
Da gingen mir die Nerven durch. Die Anspannung der letzten Stunde
war zuviel gewesen. Dazu kam, daß ich ihr den einzigen
stichhaltigen Beweis nicht vorlegen konnte. Ich beschimpfte sie so
lange, bis sie mir eine Injektion gegeben hatte. Danach fielen mir
die Augen zu. Ich sank in einen bleischweren Schlaf, obwohl ich mich
mit meinen letzten Kräften dagegen sträubte.
Als ich erwachte, fühlte ich mich entspannt und frisch. Meine
Wunde schmerzte kaum noch, und das unheilverkündende Pochen
darin war verschwunden.
Elena flößte mir eine Schale Axar ein.
“So!” sagte sie resolut. “Das wird Ihre letzten
Halluzinationen vertreiben, Lunor. Ins Sanatorium können Sie mit
Ihrer Verletzung allerdings nicht gehen. Ich habe Sie bereits krank
gemeldet.”
Ich lächelte schwach.
“Sie sind ein Engel, Elena! Man merkt, daß Sie
eigentlich Ärztin sind.”
“Ach, hören Sie doch endlich auf damit!”
Sie blickte mich mit dem Ausdruck tiefster Verzweiflung an.
Offenbar glaubte sie, ich wäre ebenfalls ein Opfer der in Maa
Duun grassierenden Schizophrenie geworden.
Darüber mußte ich laut lachen.
“Elena!” sagte ich und nahm ihre Hand. “Ich bin
geistig absolut gesund. Selbstverständlich klingt das, was ich
erzählt habe, sehr phantastisch. Aber Sie selbst haben gestern -
heute nacht - gesagt, daß der Name ,Elena Jossipow’ Sie
an etwas erinnerte, das nichts mit Maa Duun zu tun hat. Meinen Sie
nicht auch, daß man darin ein Zeichen für die Richtigkeit
meiner Angaben sehen kann - zumindest aber eine Spur, der man
nachgehen sollte?”
Sie lächelte hilflos. In diesem Augenblick sah sie geradezu
rührend aus.
“Wie wollen wir denn dieser vagen Spur nachgehen, Lunor? Es
stimmt, ich empfinde etwas Undeutbares bei dem Namen, den Sie als
meinen richtigen bezeichnen. Aber ich kann mich weder an einen Perry
Rhodan, ein Solares Imperium oder an einen Baar Lun erinnern.
Natürlich enthält auch dieser Name etwas Vertrautes für
mich; er klingt so ähnlich wie Lunor - genauso, wie Eyseman
ähnlich wie Eysan klingt. Doch das alles hat nicht die geringste
Beweiskraft; unsere Gehirne stellen ganz einfach unbewußt
Gedankenassoziationen her.”
Allmählich wurde ich mutlos. Wie sollte ich sie nur davon
überzeugen, daß sie gar nicht sie selbst war ebensowenig
wie ich Lunor war und Eyseman Eysan?
Solange ich auch darüber nachdachte, es gab nur eine einzige
Lösung des Problems: Ich mußte sowohl Elena als auch Finch
mitnehmen, mitnehmen in den Tempel des Gedächtnisses und in die
Halle der ewigen Nacht!
Aber gerade davor scheute ich zurück.
Jedenfalls noch zu diesem Zeitpunkt.
Einmal war es gutgegangen, aber schon beim nächstenmal
konnten wir entdeckt werden. Und ich zweifelte nicht daran, wie die
Reaktion der Wächter in einem solchen Fall aussehen würde:
Man konnte bestimmt nicht riskieren, daß wir unter der gesamten
Bevölkerung der Stadt die Wahrheit verbreiteten. Folglich würde
man uns töten. Nicht, daß ich Angst vor dem Tode gehabt
hätte doch wir waren nach Seven gekommen, um eine Aufgabe zu
lösen: die Aufgabe, etwas über die Vergangenheit meines
Volkes zu erfahren.
Als ich mit meinen Überlegungen so weit gekommen war, fielen
mir die beiden Leutnants ein, die uns nach Seven begleitet hatten.
Michael Vorbeck und Samson Caluga befanden sich in Maa Duun!
Was war mit ihnen geschehen?
Hatten die Wächter sie sofort getötet - oder waren sie
ihrem Zugriff entkommen? Wenn das letztere zutraf, dann lief draußen
auf der Oberfläche des Planeten bereits eine Suchaktion nach uns
an. Die Leutnants würdenjedoch die Gegner unterschätzen,
falls sie nichts von der Stadt in der Tiefe wußten. Und sie
konnten nichts davon wissen, sonst wären wir längst durch
ein Flottenaufgebot des Solaren Imperiums befreit worden. Die
Terraner würden niemals dulden, daß eine Gefahr
unbekannten Ausmaßes in ihrem Operationsgebiet bestand.
“Was ist eigentlich ein Illusionskristall… ?” fragte
Elena plötzlich.
Die Frage traf mich wie ein körperlicher Schlag.
Woher wußte die Ärztin etwas von dem Geheimnis der
alten Moduls? Wie konnte sie etwas davon ahnen, wenn sie
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