PR TB 054 Das Monsterhirn
aus Popan Mirz’ Leben lebendig, daß ich
sagen möchte, er hat vor rund acht- bis zwölfhundert Jahren
existiert. Auf keinen Fall mehr als fünfzehnhundert. Das fremde
Raumschiff - oder zumindest seine Bruchlandung auf Quentin - scheint
wesentlich jüngeren Datums zu sein, vielleicht vier- bis
fünfhundert Jahre. Nicht weniger als dreihundert. Die Besatzung
des Schiffes war anscheinend nicht sonderlich groß. Alle Mann
wurden einem höheren Daseinszweck zugeführt. Das heißt,
man schnitt ihnen die Köpfe ab, warf die Körper in
irgendeinen Schacht und bestattete die Schädel auf die übliche
Weise."
An dieser Stelle unterbrach ihn Ari.
„Bestattete die Köpfe auf die übliche Weise ...?"
Redhorse lächelte.
„Richtig, das vergaß ich zu erwähnen. Popan Mirz
hatte sich kaum zur absoluten Macht aufgeschwungen, da veranlaßte
er, daß die Bestattungszeremonien der Quentiner drastisch
geändert würden. Der Großteil des Körpers,
verkündete er, war wertlos und der Reverenz nicht würdig,
mit der man ihn bisher bedacht hatte. Was zählte, war der Kopf.
Auf den Kopf sollte sich fürderhin das Bestattungszeremoniell
beschränken. Um genauer zu sein: Wenn jemand starb, schnitt man
ihm den Kopf ab ..."
„... warf den Körper in irgendeinen Schacht", nahm
Pido nickend den Faden auf, „und bestattete nur den Schädel
auf die übliche Weise. Das heißt, man warf ihn in eines
der Löcher im Kesselhaus?"
„Ja."
„Bis auf den heutigen Tag?"
Redhorse nickte.
„Bis auf den heutigen Tag."
Er spürte, wie sie die Vorstellung in sich aufnahmen und sie
verdauten, und wie in Sekundenschnelle ein Stück des
Puzzlespiels sich scheinbar automatisch an das aridere reihte, bis
das Bild klar und vollständig vor ihren Augen lag.
Popan Mirz, das unterirdische Supergehirn, seit Jahrhunderten
genährt aus der Substanz Zehntausender von Bewußtsein, die
in der Form abgehackter Schädel in die Begräbnisschächte
im Kesselhaus geworfen worden waren, und am Leben erhalten mit Hilfe
einer gelblichen, übelriechenden Nährflüssigkeit, die
sich aus dem Kessel in die Schächte ergoß.
*
Sie schritten schweigend dahin. Ari war der erste, der den Faden
dort wiederaufnahm, wo sie ihn hatten fallenlassen.
„Wenn das so ist", meinte er, „dann sollte es
nicht allzu schwierig sein, Popan Mirz
unschädlich zu machen. Wir wissen, daß die Schächte
im Kesselhaus unmittelbar zu seiner Substanz führen. Er schlägt
uns zwar in hypnotischen Bann, wenn wir aktiv an Flucht denken; aber
ich glaube, er rechnet nicht damit, daß wir uns mit einer oder
zwei Sprengladungen ins Kesselhaus schleichen und die Bomben die
Schächte hinunterrollen lassen."
Don Redhorse schmunzelte.
„Eine vorzügliche Idee", gab er zu, „wenn
wir sie vor dreißig Stunden gehabt hätten."
Ari sah ihn fragend an.
„Denk an den Wächter, den du in den Schacht stießest",
mahnte Redhorse. „Er ist seit Stunden mit Popan Mirz vereint,
und was auch immer dort in der Tiefe herumschwappt, hat ihm längst
die Gehirnsubstanz aus dem Schädel gesogen. Ich nehme nach
allem, was vorgefallen ist, nicht an, daß Popan Mirz die
Gedanken des Wächters empfing, als er euch gegenübertrat.
Aber er kennt mittlerweile den Bewußtseinsinhalt des Toten, und
er ist schlau genug, sich darauf den entsprechenden Reim zu machen."
Ari stimmte betreten zu. Diesen Punkt hatte er außer acht
gelassen.
„Ich nehme an", fuhr Redhorse fort, „daß
unsere plötzliche Entfernung aus dem Palast damit zu tun hatte.
Popan wollte uns in Sicherheit wissen und trug der Ragnatu auf, uns
so schnell wie möglich zum Schiff zurückzubringen. Ich
nehme an, daß er vorhat, uns einen neuen Beweis seiner Macht zu
liefern. Uns wissen zu lassen, daß er über den Tod des
Kesselhauswächters Bescheid weiß und uns weiter
einzuschüchtern."
„Wenn er schon alles weiß", wandte Pido ein,
„warum hat er dann nicht schon längst von sich hören
lassen?"
Don wiegte den Kopf.
„Keine Ahnung, ehrlich gesagt. Ich nehme an, er wartet, bis
wir mit dem Rest der Gruppe vereint sind, um über uns alle
gleichzeitig herzufallen. Boduin, Ernie und Erika müssen
ebenfalls eingeschüchtert werden; aber vorher müssen sie
wissen, worum es geht. Sie werden es von uns erfahren. Ich vermute,
daß Popan warten wird, bis die Wachen in die Stadt
zurückgekehrt sind und der Ragnatu berichtet haben, daß
wir uns wieder an Bord des Schiffes befinden. Der Marsch zurück
in die Stadt dauert etwa zwei Stunden. In etwa
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