PR TB 059 Projekt Kosmopolis
und
Haare nicht nachwachsen. Wir sind konservierte Mumien, und vielleicht
bilden wir uns nur ein, daß wir leben."
Das brachte Franklin auf einen Gedanken.
„Konserviert...!" murmelte er. „Die Diasporer und
die Hüter des Lichts verabscheuen Gewaltanwendung. Ganz sicher
aber würden sie niemals ein intelligentes Wesen töten.
Andererseits dürfen sie nicht riskieren, Unbefugte mit ihrer
Transmitteranlage spielen zu lassen. Folglich schieben sie alle, die
sich nicht als befugt identifizieren, auf diese Welt ab und sorgen
dafür, daß niemand stirbt, solange sie die Verantwortung
für die Gefangenen tragen. Ja, vielleicht leben wir tatsächlich
nicht wirklich. Andererseits aber können wir auch nicht tot
sein. Was sind wir also wirklich ...?"
„Wir stehen unter Quarantäne", sagte Logan
bedächtig. „Jene Wesen, die schon länger hier ...
leben, erzählen, daß es einigen Leuten gelungen sei,
freizukommen. Angeblich, nachdem sie ein Spiel fehlerfrei geführt
hätten."
Kendall starrte den Freund aus brennenden Augen an. Er schöpfte
unvermittelt frische Hoffnung. Wenn sie laufend „spielten",
mußten sie eines Tages einmal gewinnen!
„Anfangs haben wir es ununterbrochen versucht", warf
John ein. Er lächelte resignierend. „Bis wir merkten, daß
die Fehlerquote steil anstieg, sobald wir mehr als ein Spiel am Tage
spielten."
„Am Tage?" fragte Franklin. „Gibt es denn hier
Tag und Nacht?"
„Nein", sagte John, „aber irgendwo haben wir das
im Gefühl. - Es ist unser einziger Halt", setzte er hinzu.
Franklin Kendall begriff, was die Freunde durchgemacht haben
mußten, seitdem sie auf der Quarantänewelt waren. Sie
mußten anfangs nahe am Abgrund des Wahnsinns gestanden haben.
Er stieß eine Verwünschung aus.
„Ich brenne darauf, .meiner' Maschine zu zeigen, was sie
wert ist!"
„Sie wird es dir zeigen", antwortete Noowee. Er
druckste etwas herum, dann fügte er hinzu: „Aber
vielleicht hast du mehr Glück als wir. Du besitzt schließlich
den höchsten Intelligenzquotienten ..."
Schlagartig wurde Kendall klar, daß zu den bisherigen
Problemen ein weiteres gekommen war. Und das Problem war
schwerwiegender als alle anderen. Sie, die wie alle Menschen gewohnt
waren, immer alles gemeinsam zu unternehmen, in der Gemeinschaft zu
leben und zu arbeiten, sie mußten jeder für sich allein
gegen ihre Spielmaschinen kämpfen. Wahrscheinlich hemmte das
Solidaritätsgefühl ihre Anstrengungen. Sie wollten nicht
gewinnen, um die Freunde nicht im Stich lassen zu müssen.
„Kann man nicht gemeinsam spielen?" fragte er
hoffnungslos.
Logan schüttelte betrübt den Kopf.
„Jede Maschine akzeptiert nur ,ihren' Partner. Du könntest
beispielsweise nichts mit meiner Maschine anfangen, John auch nicht;
und wir könnten mit deiner Maschine nicht spielen."
Rawlins legte Noowee die Hand auf die Schulter.
„Laß es ihn wenigstens versuchen - seine Maschine zu
bezwingen, meine ich. Wenn Frank freikommt, vielleicht kann er uns
Hilfe bringen. Was meinst du, Frank?"
„Ich weiß es nicht", gestand Kendall. „Aber
du hast recht, man muß es versuchen. Nur ..."
John Rawlins seufzte.
„Man sollte dich verprügeln, Frank. Dann hättest
du wahrscheinlich weniger Hemmungen, allein zu .verreisen'."
„Wir könnten es ja zuerst an dir ausprobieren. Wenn es
hilft, machen wir weiter so. Der letzte verprügelt sich dann
selber." Kendall lachte humorlos. „Versprecht mir, künftig
alle Kraft für einen Sieg einzusetzen, dann werde ich mich
ebenfalls anstrengen. Okay?"
„Okay, Frank", antwortete John matt.
Logan nickte nur.
„Ich gehe jetzt", sagte Kendall nach einer Zeit
zögernd.
Er ging langsam bis zur Öffnung. Dort drehte er sich um und
blickte zurück. Die Freunde sahen ihn stumm an. In ihren Augen
spiegelte sich Hoffnungslosigkeit.
Seltsamerweise schöpfte Franklin Kendall daraus Kraft.
Er wandte sich abrupt um und schritt über die metallene
Fläche seiner Behausung zu ...
Farbige Kontrollampen flammten auf, als Kendall sich in den Sessel
seiner Spielnische setzte.
Auf dem Bildschirm an der Schrägwand über seinen Augen
erschien eine Botschaft. Kendall wunderte sich, daß er sie
lesen konnte. Er vermutete jedoch, daß es sich um das gleiche
Psycho-Lingua wie in den Aufzeichnungen der Diasporer handelte.
„Dies ist ein Spiel", las er ab. „Wundere dich
über nichts. Du wirst in diesem Sessel bleiben, aber den
Eindruck gewinnen, als wärst du Bestandteil des Spiels. Denke
stets daran, daß eventuelle
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