PR TB 061 Der Planetenkönig
seitdem er erwacht war, zeigte sich im
Hintergrund seines Bewußtseins die Spur eines vagen Verdachts.
Aber eine neue Welle von Zuversicht rollte über ihn hinweg und
löschte alles Mißtrauen aus.
Kolau erhielt keine Antwort. Er half seinem Herrn, sich für
den Ausgang vorzubereiten, und stellte einen fahrbereiten Gleiter
zurecht. Stokes Bedürfnis, sich so schnell wie möglich auf
den Weg zu machen, wuchs von Sekunde zu Sekunde und wurde zu nagender
Ungeduld, die Kolau nicht entging.
Schließlich war es soweit. In der Tracht eines anitischen
Fürsten gekleidet, bestieg Stoke das Fahrzeug. Inzwischen
glaubte er zu wissen, wohin er wollte. Er mußte sich in
südlicher Richtung halten. In einem Gewaltstart hob er den
Gleiter steil vom Boden ab, gewann einhundert Meter Höhe und
schoß mit Höchstbeschleunigung über den Platz und die
noch schlafende Stadt davon.
Eine Viertelstunde später befand er sich über bergigem
Gelände. Er war nie zuvor hier gewesen, und die Tatsache, daß
er sich trotzdem mühelos zurechtfand, erweckte für wenige
Sekunden den zuvor empfundenen Verdacht von neuem. Aber er konnte ihn
nicht festhalten, konnte sich nicht darauf konzentrieren. Das Gefühl
der Geborgenheit war so stark, daß es alle Bedenken im
Handumdrehen auslöschte. Was blieb, war ein winziger Funke von
Unbehagen, der kaum mehr als instinktive Eindruck, daß nicht
alles so war, wie es sein sollte. Er war zu schwach, um motorische
Kraft zu haben. Er löste keine Reaktion aus. Stoke flog weiter.
Nach abermals dreißig Minuten gelangte er in ein tief
zwischen die Berge geschnittenes Tal, das mit vielen Windungen in
allgemein nord-südlicher Richtung verlief. Er war jetzt nicht
mehr allzu weit von der Grenze des Fürstentums Sellem
entfernt, aber der Gedanke berührte ihn kaum. Er wußte,
daß sein Ziel noch diesseits der Grenze lag und daß er
sich nicht auf Sellem'sches Gebiet verirren würde. Das Tal
weitete sich plötzlich, und der Fluß, der bisher
unsichtbar auf der dunklen Sohle geflossen war, verwandelte sich in
einen See, in dessen Mitte eine hügelige, dicht bewaldete Insel
lag.
Stoke wußte, daß er sein Ziel erreicht hatte. Seine
Ungeduld war so stark, daß er darauf verzichtete, die Insel vor
der Landung einige Male zu überfliegen - eine Vorsichtsmaßnahme,
er sonst unter keinen Umständen außer acht gelassen hätte.
Er hielt unmittelbar auf die Kuppe des höchsten Hügels zu.
Aus dem Nichts kam ihm die Gewißheit, daß es dicht
unterhalb des Gipfels ein kleines, weniger dicht bewachsenes Plateau
gab, auf dem die Überreste eines uralten Tempels standen.
Inmitten der Tempelruinen würde er landen. Jemand wartete dort
auf ihn. Er wußte nicht, wer. Aber erwußte, daß es
ein Freund war.
Die Sonne schien schräg auf das Wasser des Sees und
verwandelte es in einen Spiegel aus flüssigem Gold, als Stokes
Gleiter auf den Hügel zutrieb. Das Plateau lag südlich des
Gipfels. Stoke fand es ohne Mühe, als wäre er des öfteren
hier gewesen, machte im unsicheren Licht des frühen Morgens die
Tempelruine aus und landete zwischen den Überresten zweier
einstmals mächtiger Steinsäulen.
Er öffnete das Luk und stieg aus. Die Luft war frisch und
klar. Funkelnder Tau bedeckte die Blätter der Pflanzen und die
Steintrümmer des alten Tempels. Es war die richtige Atmosphäre,
um Stoke in seinem fast euphorischen Wohlbefinden noch zu bestärken.
Er wartete, ohne daß es ihm etwas ausmachte. Sein Freund war
noch nicht da. Er hätte es sich vorher denken können. Etwas
hatte ihn aufgehalten. Es gab keinen Anlaß, darüber
besorgt zu sein. Solche Dinge kamen vor. Er würde einen Rundgang
machen, um sich die Zeit zu vertreiben.
Er ging zwischen den Trümmern umher und versuchte zu
schätzen, wie alt sie waren. Der Ort übte eine
ungewöhnliche Faszination auf ihn aus. Er geriet ins Träumen
und stellte sich den Tempel vor, wie er vor Jahrhunderten oder gar
Jahrtausenden gewesen sein mochte - lange bevor die Terraner zum
erstenmal auf An'An landeten.
Er wurde unterbrochen. Aus dem Gehölz am Rande der Lichtung
drangen laute Stimmen. Jemand schrie:
»Schalte den Tausendundeins ab! Es ist alles in Ordnung!«
Stoke horchte auf, und im selben Augenblick lief es ihm wie
feuriger Schauer durch den Körper. Er schrak zusammen. Für
den Bruchteil einer Sekunde fühlte er sich wie ein Ertrinkender.
Von einem Augenblick zum andern waren Zuversicht und das Gefühl
der Geborgenheit von ihm abgefallen. Plötzlich, innerhalb
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