PR TB 069 Menschen Aus Der Retorte
erklärte, wird es nötig sein, daß
wir uns koordinieren
- und so, wie die Dinge liegen, sollten Sie das
gleiche Interesse dafür aufbringen wie wir.“
„Wie ihr.?“ fragte Stem, dem plötzlich eine
Ahnung kam, womit sie es zu tun hatten. „Wer sind Sie - oder
besser: Was sind Sie?“
„Ihre Existenzebene scheint tatsächlich Weit in der
Vergangenheit zu liegen“, erklärte Last. „Sonst
wüßten Sie, daß wir keine Menschen sind. Wir sind
das, was man früher
- als wir noch unvollkommen waren - Roboter
nannte.“
„Roboter?“ fragte Betty-Inger verständnislos.
„Ihre Unkenntnis erstaunt mich“, entgegnete Last. „Wir
sind natürlich keine Roboter im Sinne dieser Bezeichnung,
sondern lediglich intelligente Lebewesen auf teilweise anorganischer
Basis. - Kennen Sie Positronengehirne?“
„Ja“, antwortete Sidni-Stem und ließ dabei
unberücksichtigt, daß Last im Plural gesprochen hatte.
„Und Sie sind die Erzeugnisse von Positronengehirnen?“
„Nicht direkt. Positronengehirne waren unsere Urahnen, die
Vorläufer unserer Vorfahren. Sie konstruierten die ersten
biopositronischen Roboter, und deren vollkommenste Vertreter
konstruierten uns. Man könnte sagen, wir wären eine
Synthese zwischen Maschine und Mensch, aber das wäre ziemlich
oberflächlich definiert.“
„Ich denke, diese Erklärung genügt vorläufig“,
sagte Stem. Er drehte sich zu Inger um.
Der Jäger starrte Last an, als wäre er eine Erscheinung
aus einem anderen Universum.
„Kein Grund zur Aufregung“, sagte Stem. „Du mußt
dir unseren Freund als Gebilde aus Stahl und Plastik vorstellen, mit
einer Art Positronengehirn an der Stelle, an der bei uns das Gehirn
sitzt. Die äußere Ähnlichkeit mit einem Menschen
verdankt er wahrscheinlich einem Überzug aus Brutplasma,
vergleichbar einem im Cloning-Verfahren hergestellten
pseudodifferenzierten Zellfunktionsverband.“ „So könnte
man es ausdrücken, Anderson“, sagte Last. „Sie
kommen der Wahrheit näher, als ich das nach Ihrer vorzeitlichen
Abstammung vermutet hätte.“
Sidni-Stem lächelte verstohlen. Er war sicher, daß Last
sich irrte, wenn er ihre Existenzebene in die, wie er sagte, Vorzeit
zurückverlegte. Nach Vater Lashrons TransmitterInformationen
hatte sich die Menschheit tausend Jahre vor der Besiedlung Refuges
bereits auf einem hohen technischen Niveau befunden. Bisher war ihm
in der Roboterstation noch keine Einrichtung begegnet, die nicht
bereits in seiner Pseudo-Erinnerung verankert war. Er hielt es jedoch
für verfrüht, Last darüber aufzuklären. Erst
wollte er wissen, welche Verbindung zwischen den „Irregulären“
und den Robotern bestand.
„Kein Wunder“, sagte Inger zu Last, „als
wissenschaftlicher Schriftsteller ist Stem es gewohnt, das
Unwahrscheinliche als Realität zu betrachten und das
Nichtvorhandene glaubhaft zu schildern.“
„Leider hinkt meine Phantasie der Wirklichkeit einige
Schritte nach“, bemerkte Sidni-Stem bedauernd.
„Ich beginne zu verstehen“, warf Last-P-29 ein. „Sie
befassen sich mit einer Tätigkeit, die man philosophische
Extrapolation nennen kann. Habe ich richtig verstanden?“ „Nur
zum Teil. Philosophische Extrapolation ist die Vorbereitung zu meiner
Arbeit - eine der Vorbereitungen. Aber beschäftigen wir uns mit
dem Hauptthema, Last: Weshalb beunruhigt Sie die Flucht der
Irregulären - und was sind diese Irregulären eigentlich?“
Last verzog das Gesicht zum Äquivalent menschlichen Lächelns.
Er faltete die Hände auf dem Tisch: vollendet menschliche Hände
mit sorgsam geschnittenen Fingernägeln und spärlicher
Behaarung auf Hand- und Fingerrükken.
Warum - schoß es Stem durch den Kopf - bemühten sich
Roboter derartig pedantisch, wie echte Menschen auszusehen? Ist das
nur Tarnung? Oder Ausdruck von Minderwertigkeitskomplexen?
„Ich werde Ihre zweite Frage zuerst beantworten. Die
Irregulären sind Menschen, deren Erbmasse geringfügige
Abnormitäten aufweist. In der Folge führt das bei optimal
negativen Umwelteinflüssen zu Verhaltensweisen, die außerhalb
der Gesetzlichkeiten von Umweltreizen und vernunftgesteuerten
Reaktionen stehen. Es gibt selbstverständlich infolge einer
naturgegebenen
Unvollkommenheit des Menschen zahlreiche Ausbrüche aus dem
Kreis von Umwelt und Intelligenzfunktion. Das hat jedoch.“
„Einen Augenblick, bitte!“ warf Betty-Inger ein. „Sie
sprechen sehr unanschaulich für mich, Last. Dennoch glaube ich
Ihren Worten entnehmen zu können, daß Sie sagen
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