PR TB 070 Die Verlorenen Des Alls
ihrem Raumschiff im normalen
Raum-Zeit-Gefüge aufgehalten hätten, wären die
Patrouillenschiffe des Solaren Imperiums bald darauf aufmerksam
geworden. Es war für Wyland also nichts Neues, daß sie
sich im Hyperraum aufhielten. Dagegen interessierte es ihn, ob
Psycho-Boy aus eigener Kraft den Hyperraum verlassen konnte.
Natürlich, kam Psycho-Boys prompte Antwort, du weißt,
daß mir Flensh Tringel eine entsprechende
Transitionsvorrichtung eingebaut hat.
Diese Fluchtmöglichkeit stand ihnen also als letzter Ausweg
offen. Aber Wyland hoffte, daß er davon keinen Gebrauch machen
mußte, denn er wollte ja bei den Nonontol bleiben. Sein
Entschluß stand beinahe schon fest, es bedurfte nur noch eines
kleinen Anstoßes.
Eine Analyse Psycho-Boys hatte gezeigt, daß die Atmosphäre
des Raumschiffes mit Luftplankton übersättigt war. Es war
anzunehmen, daß sich die Nonontol davon ernährten. Aber
Wyland kam mit Psycho-Boy überein, daß das Plankton eine
viel weitreichendere Bedeutung hatte - wahrscheinlich stellte es die
Grundlage für die rasche Vermehrung der Nonontol dar.
Das war zwar nur eine reine Vermutung, aber Wyland hatte das
Gefühl, daß er der Wahrheit damit sehr nahe kam.
Psycho-Boy ging in seinen Überlegungen sogar noch weiter. Er war
überzeugt davon, daß die Unsterblichkeit der Nonontol
ebenfalls auf das Luftplankton zurückzuführen sei. Es
konnte sich dabei nur um eine relative Unsterblichkeit handeln, denn
Palmer hatte selbst gesagt, daß von Zeit zu Zeit ein Giftatmer
geboren wurde, dessen Hauch
tödlich war. Dabei konnte es sich leicht um einen Nonontol
handeln, der natürliche Abwehrstoffe gegen das Luftplankton in
sich trug; sein Atem tötete das Hormon der Unsterblichkeit, oder
er ließ es mutieren. Dadurch wurde der Lebenszyklus der
Nonontol reguliert: sie vermehrten sich nicht mehr so rasch, und sie
wurden sterblich.
Es paßte alles schön zusammen. Es gab keinen Giftatmer
mehr, die Nonontol waren der Unsterblichkeit und der
explosionsartigen Vermehrung ausgesetzt. Sie verdienten Hilfe.
Der Röhrenkorridor endete in einem riesigen Raum, dessen
Größe nur zu erahnen war. Es mußte sich um eine Art
Sammelstelle für neugeborene Nonontol handeln, oder um eine
Geburtsklinik, denn Wyland blickte auf seltsame Stellagen, die
Hunderte von Metern hoch waren. Die Wesen, die in schalenförmigen
Wiegen schnell wuchsen und deren Gestalt zusehends ausgereifter
wurde, veränderten ihr Aussehen nicht, als Wyland näher
kam. Da sie sich nicht in Menschen verwandelten, konnte es nur
bedeuten, daß es sich um Neugeborene handelte.
Wyland hatte wohl recht fremdartige Wesen vor sich, aber Ekel
empfand er nicht. Er fand Palmers Furcht, der Mensch könnte bei
dem Anblick seines Volkes Abscheu empfinden, sehr naiv. Viel
fremdartiger und abstoßender war noch die Todesphilosophie.
Aber selbst sie war für Wyland, dank Psycho-Boys Unterstützung,
verständlich geworden. Er wußte nun, daß die
Nonontol durch die Umstände in diese Denkungsart gezwungen
worden waren.
Durch den Tod des Giftatmers waren sie unsterblich geworden, und
sie vermehrten sich trotzdem - und viel rascher als je zuvor. Wyland
war sich klar, daß der Ausdruck „Giftatmer“ eine
mythologische Bedeutung haben mußte. Die Nonontol hatten für
ihre plötzliche Unsterblichkeit eine Erklärung gesucht,
aber keine gefunden. Deshalb umgaben sie sich mit Mysterien - sie
flüchteten sich in die Todesphilosophie.
Seit wie vielen Jahren - oder Jahrtausenden - mochten sie schon
durch das Universum ziehen und den Tod suchen? Wie viele solcher
Riesenraumschiffe waren unterwegs?
Psycho-Boy registrierte einen Traktorstrahl, der quer durch die
große Halle führte, und betrat ihn. Wyland schwebte in
rascher Fahrt an den Stellagen mit den Schalenwiegen vorbei und
konnte sich das Gefühls nicht erwehren, von unzähligen
Augen angestarrt zu werden. Aber Augen im Sinne des Wortes konnte er
an den neugeborenen Nonontol nicht feststellen. Hundert Meter vor ihm
neigte sich eine der Stellagen. Wyland wollte den Traktorstrahl
verlassen, aber er wurde unerbittlich festgehalten.
Die Stellage neigte sich immer weiter. Wyland sah, daß sie
überbelegt war und der Belastung nicht mehr standhalten konnte.
Jetzt hatte ihn der Traktorstrahl auf gleiche Höhe gebracht.
Einige Wiegen rutschten von der schrägen Fläche der Regale
und fielen. Manche wurden von den Traktorstrahlen aufgefangen, andere
verschwanden in der nebligen Tiefe.
Ächzend bog sich die Stellage
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