PR TB 086 Feldzug Der Morder
langsam
vorrückend, stationiert werden konnte. Und in dieser Spur würde
dann, wenn der Winter vorbei war, Attila mit hunderttausend Kriegern
und noch mehr Pferden aufbrechen.
Ich ritt langsam zurück zu den Jurten meiner Reiter, legte
mich außerhalb der Jurte zu Boden, wickelte mich in die Decken
und schlief lange nicht.
Eines stand fest:
Ich konnte Attila nicht einfach umbringen. Gift...! Das schied
aus; er würde auch diesen Anschlag überleben. Sein Sklave
würde zuerst sterben, dann jener Fremde, ich, der zuletzt hier
gewesen war. Sinnlos. Ein Pfeil? Dasselbe Ergebnis. Ich würde
Attila töten, und dann würden mich seine Krieger hetzen.
Wenn der Falke Attila aus einer Versammlung griff, ihn in die Luft
riß und zu Boden schmetterte, würde die Legende sofort
einsetzen, und die Hunnen hatten dann auch noch einen Gott:
Attila!
Ein Strahlerschuß? Etwas in dieser Richtung schied aus, weil
ich zwar nahe genug an ihn herankam, dann aber inmitten von
Zehntausenden oder mehr Hunnen wehrlos war. Sie würden mich in
Fetzen reißen. Außerdem schreckte ich noch immer vor
offenem Mord zurück - ich konnte nicht anders. Ich sollte
weniger Skrupel haben. Zweikampf! Er würde, außer in der
Schlacht, nicht mit einem gewöhnlichen Sterblichen kämpfen.
Er starb ja von selbst an der inneren Vergiftung durch die
winzigen, madenförmigen Tierchen, die mit der Zeit alle seine
Organe befallen würden. Vielleicht nicht gerade die Leber; dort
war zuviel Alkohol.
Was blieb übrig?
Zusehen, wie er starb. Ihm die Strapazen zumuten. Ihm furchtbare
Warnungen zukommen lassen. Psychologisches Eingehen also,
psychologische Arbeit. Ihm Aufregungen verschaffen, die schließlich
in einem Blutsturz endeten. Onegesios hatte mir vor einer Stunde
gesagt, daß Attila schon mehrmals einen leichten Blutsturz
erlitten habe; ich half Attila nicht, und das beschleunigte sein
langsames Sterben. Viel Alkohol, viel Reiten, viel Regen und
schneidender Wind, die Eismassen der Berge und der Klimaumschwung im
Norden Italiens.
Was war noch zu tun?
Patricia - für sie hatte ich bereits den besten Plan
gefunden, den es im Moment gab.
Die Menschen entlang der Spur des Spähtrupps? Dort würde
ich eine meiner Doppelrollen spielen, die ich bereits während
meines ersten Einsatzes bei Aetius und Theoderich gespielt hatte. Ein
langer, arbeitsreicher Winter stand uns allen bevor; aber ich hatte
Patricia bei mir und würde bereits jetzt für die Zeit
nachher arbeiten.
Als ich mich in die Betrachtung der verpaßten Chancen nach
der Schlacht nahe von Troges und Metz vertiefte, schlief ich endlich
ein.
Kurz nach Sonnenaufgang galoppierten wir in derselben
blockförmigen Ordnung durch das ganze Lager, ließen uns
von Attila und Onegesios verabschieden und erhielten wertvolle
Geschenke.
Die Männer waren müde und hielten sich gerade solange
richtig in den Sätteln, bis wir das Lager verlassen hatten.
Es gab sehr viele hübsche Hunnenmädchen hier im Lager.
Aber sie stanken allesamt nach diesem widerlichen Gewürz, jener
weißen Zwiebelpflanze, die eigentlich Attilas Feldzeichen sein
sollte.
Als wir den Hügel erreichten, atmete ich tief die kalte,
feuchte Luft ein und freute mich, daß wir Attila im Rücken
hatten.
Ich sollte ihn noch viermal sehen.
Wir waren eine sehr schnelle, leichte Truppe. Zweihundertzwanzig
Männer, eine Frau und mehr als achthundert Pferde. Wir ritten in
drei Abteilungen -eine Spitze, die das Gelände erkundete, der
Hauptteil, der geradeaus weiterzog und der Troß mit Zelten und
Pferden, mit Decken und Nahrungsmitteln und Nachschub. Wir hatten
nicht einen einzigen Wagen, sondern alles war auf die Packpferde
verteilt worden. Seit vielen Wochen zogen wir so dahin und alles lief
nach einem bestimmten Schema ab. Zuerst markierte ich auf meinen
Karten den Weg unserer Reiter, dann zeichnete ich eine Teilkarte
dieses Gebietes, und zwar dergestalt, daß ich eine Art Panorama
mit den wichtigsten Bestandteilen zeichnete und Eintragungen in
hunnischer, runenähnlicher Schrift machte. Mit dieser Zeichnung
und der Angabe, wie lange das Heer für diese Strecke brauchen
würde, jagte ich einen Kurier los. Entlang unseres Weges hatten
wir ständig kleine, versteckte Gruppen unserer zusätzlich
mitgenommenen Leute zurückgelassen, und die Karte wanderte in
der Stafette zurück zu Attila.
Wir rasteten in der Nähe der Berge - noch war es
Herbsteinfang.
Ich ließ das Lager aufschlagen, überwachte die Pferde
und die Arbeiten, starrte nachdenklich
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