PR TB 088 Welt Im Psycho Sturm
anderen Gelegenheiten gehabt
hatte. Es war eine Art Jagdfieber, das ihn überfiel. Er hatte
den Zipfel eines Geheimnisses zu fassen bekommen und war
entschlossen, so lange daran zu zerren, bis der ganze Komplex aus dem
unergründlichen Dunkel ans Tageslicht kam.
Alles, was ihm bisher wichtig erschienen war, wurde in den
Hintergrund gedrängt.
Michael hatte den Turm erreicht. Er war zwanzig Meter hoch, besaß
auf dem Dach eine Reihe von Antennen, jede der vier Seiten wies in
vier Etagen große, vergitterte Fensterdurchbrüche auf.
Michael hatte zuerst geglaubt, der Turm sei zur Gänze aus
Steinquadern gebaut, doch nachdem er ihn umrundet hatte, stellte er
fest, daß Teile der Außenmauer auch aus anderen
Materialien bestanden. Außer den Steinquadern entdeckte er noch
Holzbalken und Kunststoffplatten.
Als er hinter sich ein Winseln vernahm, drehte er sich um.
Vom Dschungelrand her näherte sich eine riesige Raubkatze.
Das Tier besaß einen schlanken, fast schlangenförmigen
Körper und zehn Beine. Der Katzenkopf wies drei funkelnde Augen
auf, die auf der Stirn ein Dreieck bildeten. Der Mund war breit und
besaß wulstige Lippen, die sich in unregelmäßigen
Abständen verschoben und einen Rüssel bildeten.
Das Ungeheuer schien Michael nicht anzublicken. Trotzdem näherte
es sich ihm rasend schnell und stieß ständig das für
ein so gewaltiges Tier befremdende Winseln aus.
Michael ließ sich von den harmlos klingenden Lauten nicht
täuschen und wandte sich dem Eingang des Turmes zu. Er empfand
unbeschreibliche Erleichterung, als das Tor dem Druck seiner Hände
nachgab und nach innen aufschwang.
Als er den Turm betrat und hinter sich das Tor zudrückte,
empfing ihn eine melodisch klingende Stimme.
Michael verstand jedoch nicht, was sie sagte, denn es klang wie
eine Aneinanderreihung fremdartiger Laute.
Michael lehnte noch eine Weile am Tor, dann wagte er sich durch
den schmalen, kurzen Gang in das Gewölbe vor, aus dem der
gespenstische Singsang kam.
***
Als Michael das Gewölbe betrat, verharrte er erst einmal, um
die neuen Eindrücke zu verarbeiten. Der Raum selbst wies keine
Besonderheiten auf. Er war vier Meter hoch, nahm die gesamte Fläche
dieser Etage ein und war in zwei Ebenen unterteilt. Im unteren Teil
befanden sich einige technische Geräte, die zumeist in die Wand
eingelassen waren. Aber alle diese Geräte wiesen keine
Bedienungselemente auf, was darauf hindeutete, daß sie von
irgendeiner Kontrollstation durch Fernlenkung bedient wurden. Die
andere Hälfte des Raumes lag auf einem etwa ein Meter höheren
Podest und enthielt alle für den Wohnbereich erforderlichen
Möbel, einschließlich der sanitären Anlagen. Dort
befanden sich zwei Männer.
Der eine trug die auf Hoorns Paradies übliche Kleidung: eine
buntbestickte Felljacke, eine bunte Bluse und eine reichlich
verzierte Hose. Auffällig an ihm war, daß er seine
Psycho-Tarnkappe abgenommen hatte. Er war es auch, der
den seltsamen Singsang von sich gab. Er saß auf einem
Sessel, hatte die Augen halb geschlossen und wiegte den Kopf im Takt
der Melodie.
Der andere Mann lag auf dem Bett und wälzte sich wie unter
Schmerzen hin und her. Sein Atem ging schwer. Er trug eine graue
Kutte, die seine Beine bis zu den Knöcheln bedeckte. Obwohl er
seine Tarnkappe aufgesetzt hatte, schien es Michael, daß ihm
der Psychosturm Unbehagen bereite. Oder er hatte ihm bis vor kurzem
zugesetzt, denn der Mann gab ein undeutliches Gemurmel von sich, von
dem nur das Wort »Amokperiode« verständlich war.
Michael zweifelte nicht daran, daß er es hier mit zwei dem
Wahnsinn Verfallenen zu tun hatte.
Bei einem der vergitterten Fenster entstand ein Geräusch.
Michael wirbelte herum und erblickte das Untier, das ihm vorhin
nachgestellt hatte. Es preßte seinen mächtigen
Katzenschädel gegen das Gitter, streckte zwei seiner Tatzen
hindurch und hatte die Lippen zu einem kurzen Rüssel geformt.
Der Mann auf dem Bett richtete sich plötzlich auf und schrie.
Michael rannte über die Treppe auf das Podest hinauf und
drückte den Mann auf das Bett zurück.
»Schon gut«, sprach er ihm beruhigend zu. »Sie
sind in Sicherheit, das Raubtier kann Ihnen nichts anhaben.«
»Eines Tages wird mich der Welsch fangen«, sagte der
Mann schaudernd. »Er lauert schon seit dem Tage auf mich, da
man mich in die Wetterstation gesteckt hat. Irgendwann wird sich
seine Geduld lohnen.«
»Soweit ist es jedenfalls noch nicht«, beruhigte ihn
Michael.
Jetzt erst schien sich der Mann der
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