PR TB 091 Das Tödliche Element

machte er eine
Handbewegung, in die er die ganze Kabine einschloß.
    „Als Freifahrerfürst lebt es sich nicht schlecht",
sagte er mit einer Mischung aus Anerkennung und Zynismus. „Aber
dieses süße Leben hat einen bitteren Beigeschmack. Haben
Sie nicht Gewissensbisse, weil es auf Kosten anderer Völker
zustandekam? Sie beuten primitive Eingeborene aus, geben ihnen für
unschätzbare Reichtümer nichts als Plunder. Finden Sie das
nicht verwerflich?" „Keineswegs", erklärte
Cryjonon, ohne zu zögern. „Die Reichtümer, die wir
nehmen, Bodenschätze, Nahrungsmittel, Stoffe und andere
handwerkliche Erzeugnisse, sind für die Eingeborenen kaum etwas
wert. Entweder weil sie sie nicht verwerten können, oder ganz
einfach weil sie zu ihrem Alltag gehören. Dagegen stellt der
sogenannte Plunder für die Eingeborenen Reichtümer dar.
Darin zeigt sich wieder einmal die Relativität der Werte. Von
Ausbeutung kann also keine Rede sein."
    „Stimmt, Sie schaden den Eingeborenen nicht, aber Sie helfen
ihnen auch nicht", sagte Michael. Er deutete auf den Safe. „Wenn
Kaiser Boscyk mir sein Vertrauen schenkt und meine Pläne
aufgreift, dann wird sich der Tauschhandel der Freihändler von
Grund auf ändern.
    Die Relativität der Werte kann dann nicht mehr so großzügig
ausgelegt werden." Cryjonon grinste. „Sie scheinen
tatsächlich Großes vorzuhaben, Mike." Er zuckte die
Achseln. „Meinetwegen, ich habe nichts dagegen, wenn Sie
unserer Organisation damit nicht schaden."
    Jetzt lächelte auch Michael. „Das habe ich ganz sicher
nicht vor, Anfir. Ganz im Gegenteil, die Freifahrer werden einen
ungeheuren Aufschwung nehmen." Äußerlich unterschied
sich die HORNBLOWER, wie schon gesagt, nicht von einem Schweren
Kreuzer der Solaren Flotte, doch die wirklichen Unterschiede lagen
innerhalb der Schiffshülle.
    Freifahrer bevorzugten einen eigenen Lebensstil. Das drückte
sich schon in ihrer hierarchischen Gesellschaftsordnung aus, in der
ihr Begründer und Oberhaupt Lovely Boscyk „Kaiser",
die Schiffskapitäne „Fürsten", die Offiziere
„Edelmänner" und die einfache Mannschaft „Bauern"
genannt wurden. Sie zeigten es auch in ihrer Kleidung, daß sie
anders als die anderen sein wollten: sie trugen hauptsächlich
Kostüme aus der terranischen Frühgeschichte.
    So wie sie sich kleideten, gestalteten sie auch ihre Umgebung. Die

    Inneneinrichtung der Raumschiffe war nicht nur auf den Zweck
ausgerichtet. Die Kabinen, Mannschaftsräume und Freizeitzentren
waren keine technisierten, kalten Orte, es waren vielmehr Inseln der
Behaglichkeit, in denen man sich richtig ausspannen und sich physisch
wie psychisch erholen konnte.
    Über die Böden der Kabinen spannten sich dicke,
lautschluckende Teppiche, an den Wänden hingen kunstvolle
Gobelins oder alte Stiche. Die Einrichtung war gediegen, stilvoll,
manchmal jedoch auch kitschig, das hing vom Bewohner der jeweiligen
Kabine ab. Aber trotz solcher unvermeidbaren Geschmacksentgleisungen
harmonierte im großen und ganzen die Technik mit der Tradition.
    Allerdings ließen die Freifahrer ihre Kostümierung und
ihren Hang, sich mit Requisiten der Vergangenheit zu umgeben, nicht
zur Manie und damit zur Clownerie ausarten. Sie wußten, wo
Grenzen zu setzen waren; trotz ihrer scheinbaren Verspieltheit
vergaßen sie die Realität nicht. Und deshalb wurden alle
wissenschaftlichen und technischen Abteilungen, die Hauptzentrale,
die Funkzentrale, die Feuerleitzentrale, die Hangars und alle diese
Stationen von der strengen, nüchternen, zweckmäßigen
Technik beherrscht.
    Nur die Freifahrer in ihren antiken Kostümen brachten einen
Hauch der Atmosphäre hierher, die in den Wohnbereichen
anzutreffen war. Doch sie wirkten hier nicht deplaciert, denn sie
bewegten sich darin so geschmeidig und selbstsicher wie andere
Raumfahrer in ihren Kombinationen.
    Als sie mit den Aufräumungsarbeiten auf Trikton III fertig
waren, alle wichtigen Unterlagen und nicht zerstörten Geräte
in der HORNBLOWER verfrachtet hatten, sprach Cryjonon Michael wegen
seiner Kleidung und seines Inkognitos an.
    „Sie wollen bei uns bleiben, Mike", sagte er. „Wollen
Sie nicht daran denken, sich einen Namen zuzulegen und sich
entsprechend zu kleiden? Ich will Sie nicht drängen, noch Sie zu
etwas zwingen. Wenn es Ihnen lieber ist, behalten Sie nur ruhig Ihre
Kombination an. Freifahrer zu sein ist nicht gleichbedeutend damit,
sich so zu kleiden, wie es unsere terranischen Vorfahren getan haben.
Man tut es oder läßt es bleiben ,