PR TB 098 Wettfahrt Der Entdecker
Treibanker aus, den der
Sturm über das halbe Deck gezerrt hatte und warteten. Es wurde
unerträglich heiß. Der Wind wehte überhaupt nicht
mehr. Die See war spiegelglatt. Aber dann näherte sich wieder
die schwarze Wand, etwas kleiner diesmal, so schien es.
Die Konstruktion des Schiffes hat sich bewährt! Die
Berechnungen der Maschinen waren exakt! sagte der Logiksektor.
Ich überprüfte die Position.
Als die ersten schäumenden Wellen mit dem brüllenden
Sturm heranrasten, füllten sich knallend die Segel. Das Tau des
Treibankers, einer festen, eimerförmigen Segeltuchtasche, die
das Schiff hinter sich herzog, straffte sich. Langsam machte die
TERRA Fahrt. Wir mußten etwa auf dem gleichen Kurs
zurücksegein. Das Schiff krängte schwer, tauchte das kleine
Vorderkastell tief ins Wasser und richtete sich wieder auf. Dann
rissen Wind und Wellen die TERRA zurück nach Osten. Mehr als
eine Stunde lang wütete der Sturm, und schließlich standen
nur noch drei Personen an Deck: Diego, Wardar und ich. Nach und nach
beruhigte sich die See. Als die Sonne sichtbar wurde, sank ihre
Scheibe gerade unter den Horizont. Im letzten Licht des Tages
wendeten wir die TERRA, setzten alle Segel und holten den Anker ein.
Dann, nach einer weiteren Kursbestimmung, ließ ich das Faß
öffnen.
»Habe ich es Euch nicht prophezeit, Kapitän?«
fragte Wardar listig.
»Ich werde mich in Zukunft nach deinen Sturmwarnungen
richten. Aber was ist, wenn du schläfst?«
Seine Antwort ging unter im Gelächter der Mannschaft. Das Faß
war zu klein, als daß sichjemand betrinken konnte. Die Wachen
zogen auf, und als wir mit Laternen alle Innenräume einer
genauen Inspektion unterzogen, stellte sich heraus, daß
abgesehen von Spritzwasser und Regen, kein Wassertropfen eingedrungen
war.
Die TERRA hatte ihre Taufe überstanden.
Bei gleichmäßig gutem Wetter und ebensolchem Wind
segelten wir mit Vollzeug weiter. Das Bild
des Albatros zeigte, daß die Bucht noch leer war.
Maghellanes war von uns irgendwo überrundet worden. Tropische
Hitze herrschte in diesem Dezember, als Land auftauchte.
Der Ausguck schrie es aus seinem Krähennest.
»Ich habe es dir erzählt...«, sagte ich und zog
Sharma an mich. »Dort ist der Berg, der wie ein spitzer weißer
Hut aussieht. Dort sind Palmen. Dort werden wir lange warten.«
»Ich freue mich darauf!« war ihre Antwort.
Später sollte ich erfahren, daß Maghellanes diese Bucht
nach dem Fluß des Heiligen Januarius nennen würde: Rio de
Janeiro.
Wir liefen in die Bucht ein, ankerten und brachten die Boote zu
Wasser.
Eine herrliche Zeit begann.
TRINIDAD, SAN ANTONIO, SANTIAGO, CONCEPTION und VICTORIA —
das waren die fünf Zwei- oder Dreimaster des Maghellanes. Er
ankerte an einer anderen Stelle der Bucht und überholte seine
Platte. Sie sah ziemlich mitgenommen aus, dachte ich, als ich die
Funkbilder des Albatros verglich, aber hatte sich, insgesamt gesehen,
recht gut gehalten. Aber dies war nur die erste Etappe der langen
Reise gewesen. Wir hingegen aßen die Vorräte auf, die
nicht mehr recht haltbar aussahen, lüfteten das Schiff gut durch
und lagerten fruchte und Beeren ein, die sich monatelang verwenden
lassen würden.
Ansonsten taten wir — nichts. Oder fast nichts. Das Schiff,
unser kostbarster Besitz, wurde geputzt, die wenigen fehler wurden
beseitigt, und ansonsten vergnügten wir uns fast alle mit den
braunen, hilfreichen und geradezu provokativ lebenslustigen
Eingeborenen. Ich hingegen bemühte mich, Informationen zu
sammeln.
*
Wenn dieser Ausdruck gerechtfertigt ist, dann war ich ein
maritimer Typ; der Einfluß von Nichtstun ohne viel
Verantwortung, von Sonne und warmem Schatten, von vitaminreicher
Nahrung und Sand und Salzwasser verändern den Menschen. Und auch
sogar den Arkoniden. Ich fühlte mich so wohl wie schon lange
nicht mehr. Die Beziehungen zwischen Sharma und mir waren inzwischen
in ein Stadium getreten, das uns beide zutiefst zufriedenstellte. Was
hatte Ulrich von Hütten an den Nürnberger Pirkheimer
geschrieben: »O saeculum! O literae! Juvat vivere!« —
ich übersetzte es mit »O Jahrhundert! O Wissenschaften! Es
ist eine Lust zu leben!« So etwa fühlten wir uns, Sharma
und ich. Wir lagen im Sand und schliefen, einer in den Armen des
anderen. Wir warteten, bis Maghellanes, von unserer Mannschaft
unbemerkt, seine Schiffe überholte.
Dann, eines Nachts, machte ich mich davon.
Ich rief den Albatros, ließ Scarron auf das Mädchen und
das Schiff aufpassen, hängte mich in
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