PR TB 100 Der Kontinent Des Krieges
mich.
,Wir werden niemandem sagen, welcher Frieden hier herrscht“,
beruhigte ich ihn und dankte dem Knecht, der mein Pferd brachte.
,Adieu, Freund Martin!“
Jch wünsche Euch viel Glück, d’Arcogne!“
sagte er.
Ich hatte ihm in den vergangenen Tagen einige Ratschläge
vorwiegend technischer Natur gegeben. Noch einmal umfasste mein Blick
die Gebäude und Ställe, die Bäume und die Brunnen,
dann schwang ich mich in den Sattel und hob die Hand. Wir reiten nach
Herbsthausen, Männer!‘ ‘ sagte ich.
Ein Gemisch aus Lachen, Schreien und Johlen antwortete mir. Die
Pferde wieherten unternehmungslustig, als ich lospreschte. Der Kies
hagelte nach allen Seiten, als neunundzwanzig Tiere und ein riesiger
Wolf den Hof verließen und auf den Wald jenseits des Tales
zugaloppierten.
DIE RATTEN
Als wir langsam den letzten, kahlen Hügel hinunterritten,
sahen wir vor uns die Siedlung. Sie wirkte, als habe ein Erdbeben
stattgefunden, selbst aus dieser Entfernung. Wir konnten, obwohl ich
mein Fernrohr auseinander zog und im letzten Licht des Tages die
Umgebung betrachtete, keine Spuren eines Lagers erkennen. Die Ruhe,
die über dieser Zone der Landschaft lagerte, wirkte wie ein
Leichentuch. Wir ritten langsam weiter. Die Tiere schnaubten unruhig;
die Nervosität der Reiter übertrug sich auf die Pferde. Ich
drehte mich im Sattel, sah den Wimpel, den Jörg trug, träge
an der Hellebarde baumeln und sagte halblaut: „Vorsichtig
weiterreiten. Wir versuchen, ein Quartier in den ersten Häusern
dort zu bekommen.“
„Verstanden. Aber, so wie es aussieht, werden wir nicht mehr
bekomm en als verseuchtes Wasser.“
,Wir haben unsere Vorräte, Freunde!“ sagte ich.
Noch nie hatte ich die Schrecken des Krieges so deutlich vor Augen
gesehen wie während der vergangenen Tage. Über dieses Land
herrschten nicht die Jahreszeiten, nicht Sonne oder Wind, nicht
einmal der Kaiser oder die Feldherren. Schon gar nicht die Bürger,
Bauern oder Edelleute. Wenn überhaupt jemand herrschte, so war
es der Soldat. Und die Ratten. Die Marschälle hatten nur in den
seltensten Fällen Macht über ihre Soldateska. Beson ders
dann, wenn eine Stadt nach der Belagerung fiel, tobten sich die
niedersten Instinkte aus. Kinder wurden von den Kaiserlichen in
Kellern abgeschlachtet, direkt neben den aufgeschlagenen Weinfässern,
aus denen die Flüssigkeit auf den Boden lief. Frauen wurden
geschändet und aus den Fenstern der Häuser geworfen. Man
folterte, brannte und mordete ohne jeden Sinn. Priester band man
unter die Wagen des Trosses, in denen die Dirnen und die Weinfässer
lagen. Die entkräfteten Männer brachen zusammen, nachdem
sie auf allen vieren gerannt waren und wurden zu Tode geschleift.
Seuchen und Hunger richteten Verwüstungen an, die zu begreifen
fast meine Natur überstieg.
Das ist der Planet, Arkonide, über den du die Verantwortung
übernommen hast! sagte das Extrahirn.
Ich schloss die Augen. Hier war ich wieder. Mehr als neun
Jahrtausende waren seit dem Tag vergangen, an dem ich von der
Oberfläche des Planeten geflohen war. Oder flüchten musste:
neun lange Jahrtausende. Eine Frist, die einen Verstand ruinieren
konnte. Jedes mal, wenn ich auftauchte, geriet ich in die
primitiven Auseinandersetzungen der Barbaren. Ich kannte die Mühsal
ihres langen, verwirrten Weges in die Kultur. Ich kannte auch die
vielen Stationen der Zivilisation - viele davon hatte ich selbst
initiiert. Und hier war ich abermals, mitten im totalen Chaos. Diese
Narren! Sie schrieben Ideen, die leer von Bedeutungen waren, auf ihre
schweren, golddurchwirkten Fahnen, schwenkten diese und trugen sie in
die Schlachten. Sie zerfetzten sich gegenseitig mit Schrapnells, sie
folterten, bohrten sich Säbel in die Körper, entwürdigten
einander bis zum untersten Punkt der Möglichkeiten. Und mitten
in diesem perfekten Irrsinn landeten zwei Raumfahrer, um sich zu
verbergen.
Warum? Wovor verbargen sie sich? Und warum wurden sie von etwa
fünfzehn anderen Raumfahrern verfolgt? Was hatte das alles zu
bedeuten?
Ich war kein böser, harter Mensch... Mensch! Ich begann
bereite, mich mit diesen Hirnlosen zu identifizieren! Also: Ich war
ein Arkonide! Ich hatte ein Bündel von Möglichkeiten in der
Hand. Ich vermochte nicht, größere Bewegungen auf diesem
Planeten hervorzurufen oder zu steuern. Meine einzige Möglichkeit
lag in der Mimikry, im Verstecken, in der perfekten Maske. So konnte
ich einen zahlenmäßig beschränkten Personenkreis
dirigieren, ihm helfen, ihm zeigen,
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