PR TB 110 Formel Des Todes
bist nicht von hier, Fremder?“
„Wie es der Name schon sagt, ich bin ein Fremder. Und ich
habe es eilig!“
Lombardi rannte auf der anderen Seite die Treppe wieder hinunter,
kam an einigen zerfallenden Gebäuden vorbei, bog in einen
kleinen Park ein, in dem bewaffnete Bogenschützen in
kleinen Gruppen patrouillierten und die hungernden Bettler
vertrieben.
Schnellen Schrittes durchquerte er den Park, schlüpfte durch
ein Tor und betrat einen Strand, der einer Alptraumlandschaft glich.
Dort vorn war das Boot. Es fuhr in nördlicher Richtung.
„Schneller!“ sagte sich Maras.
Vor ihm breitete sich ein fast waagrechter Sandstrand aus. Der
Sand war kalkweiß und stammte von den Kalkklippen, die sich
hinter einem breiten Gürtel trostlos dürrer Macchia
ausbreiteten. Aus dem Sand ragten pechschwarze Felsen hervor. Kleine,
große, zusammengesetzte, die wie Bündel von Speerspitzen
aussahen. Der Nebel wurde dichter. Jetzt strengten sich die neun
Ruderer des Bootes mehr an, und Lombardi winkelte die Arme an und
begann zu laufen.
Er stob zwischen den schwarzen Felsen hindurch, rutschte immer
wieder in dem feuchten Sand aus und hörte neben sich das
schwache Zischen der auslaufenden Brandungswelle. Der Nebel wurde
noch dichter, er konnte gerade noch das Boot erkennen. Er wunderte
sich über sich selbst; die pausenlosen Anstrengungen der letzten
Wochen hatten ihn nicht geschwächt, sondern gestärkt. Er
lief jetzt mühelos und schnell. Felsenbrücken tauchten aus
dem Nebel auf wie Wachtposten. Vorbei, hindurch. Weiter. Dann blieb
er stehen.
Er horchte angestrengt in die undurchsichtige Schicht rund um ihn
hinein. Er besaß genau einen einzigen Orientierungspunkt: die
Brandung rechts von sich.
„Dort vorn sind Ruderschläge und leise Rufe!“
stellte er fest und rannte weiter.
Die Tasche schlug gegen seine Schultern, die Waffe zog schwer am
Gürtel. Er umrundete weitere schwarze Steinsäulen und sah
vor sich nur die Spuren kleiner Meerestiere im Sand.
Eine halbe Stunde, ungefähr, später:
„Bleib stehen, oder du stirbst!“ sagte eine Stimme von
rechts. Maras stemmte die Absätze ein und blieb stehen.
Von links kam eine andere, Befehlsgewohnte Stimme, die ein wenig
müde und hoffnungslos wirkte.
„Die Arme in die Höhe, Fremder!“
Langsam ging Maras weiter. Er hob die Arme und blieb stehen, als
sich vor ihm zwei Männer mit langen Dolchen aufbauten.
Sie tauchten wie Gespenster aus dem Nebel auf. Vor ihm schien es
steil abwärts zu gehen, denn er hörte von unten das
Plätschern von Wellen und die Geräusche an und in einem
Schiff. Holz schabte gegen Stein.
„Woher kommst du?“
„Kapitän Rackhel schickte mich, er zeigte mich auch den
Männern im Boot“, sagte Lombardi gehorsam. „Im
Übrigen glauben alle aufrechten Männer unter dem Licht
Bragmardos, daß die Prächtige Stadt vernichtet werden
müsse.“
Die Männer sahen sich schweigend an, dann schnalzte der mit
der Befehlsstimme mit den Fingern und sagte:
„Bei der ewigen Dherra! Der erste Grad der Verschwiegenheit.
Du mußt ein wichtiger Mann sein.“
„Man sagt es!“ erwiderte Lombardi. Er blickte die
beiden Männer an. Sie sahen aus wie arme Aussätzige.
Zerlumpte Kleider, zerrissene Leinensandalen, wilde Gesichter,
schmutzig und ungepflegt.
„Dann komm mit uns.“
Er ließ die Arme sinken, folgte dem ersten Mann. Es ging
noch zwanzig Schritte vorwärts, dann tauchte eine Treppe auf,
die aus Pflöcken im Geröll bestand, vor die man quer Balken
aus Treibholz gelegt hatte. Wie ein kopfloser Wurm wand sich die
Treppe abwärts und endete vorläufig auf einer Felskanzel,
die dicht mit Sand und Gestrüpp bedeckt war. Als Maras
seinen zweiten Fuß auf diese Fläche setzen wollte,
hakte sich ein Fuß um seinen Stiefel, er erhielt einen
unbarmherzigen Stoß in den Rücken und fiel nach vorn.
Er reagierte fast zu schnell, sagte er sich später. Noch im
Fallen wirbelte er herum, krümmte sich zusammen und rollte sich
über den Rücken ab. Steinkanten und brechende Zweige trafen
seine Haut, aber er lag abwartend da, vielleicht eine drittel
Sekunde. Der andere Mann stürzte sich mit vorgestreckten Armen
auf ihn. Maras zog die Knie an, empfing den Angreifer mit den
Stiefelsohlen und schleuderte ihn mit einer wilden Anspannung der
Muskeln von sich. Der Schwung riß ihn selbst wieder auf die
Beine, er griff nach dem Dolch und stand breitbeinig da.
Der andere Mann warf sich vorwärts; Maras bewegte nur kurz
den Dolch und schaltete den
Weitere Kostenlose Bücher