PR TB 136 Die Sklaven Des Computer
unzählige Falten und
Fältchen. Ningmak erhob sich, wie es der Respekt vor dem
Vorgesetzten erforderte.
»Gruß dir, Morvli«, sagte er. »Ich
bedaure, meinem Arbeitsplatz so
lange ferngewesen zu sein. Aber ich nehme an.«
Morvli wischte seine Rede mit einer ungeduldigen Handbewegung
beiseite.
»Ich weiß schon«, antwortete er. »Anordnung
von oben. Mit so etwas muß man sich abfinden.«
Er hatte eine ziemlich hohe Stimme - ganz so, als benütze er
als Resonanzboden nur ein Drittel oder Viertel seines mächtigen
Brustkorbs. Bitterkeit schien in seinen Worten zu schwingen.
»Ich hoffe wenigstens, daß es dir in den vergangenen
vierzig Stunden angenehm ergangen ist«, fügte er hinzu.
Kein Fältchen mehr als sonst bewegte sich in seinem Gesicht.
Und dennoch hatte Ningmak den Eindruck, er wisse ganz genau, wie es
bei einem Austauschgespräch zuging.
»Man kann sich die Annehmlichkeiten nicht immer aussuchen«,
antwortete Ningmak zurückhaltend. »Es muß getan
werden, was um des Ganzen willen notwendig und daher nützlich
und gut ist.«
Morvli nickte.
»Du warst schon immer ein Einsichtiger, Freund Ningmak.«
»Ich stehe dir ab sofort wieder zur Verfügung, Freund
Morvli«, erklärte Ningmak. »Ich möchte keine
unnötige Sekunde Arbeit verlieren.«
»Auch das beweist gesunde Geisteshaltung«, lobte
Morvli. »Aber ich bin angewiesen, dich nach Hause zu schicken
und erst ab morgen früh wieder zur Arbeit zuzulassen. Die
entsprechende Anweisung an PSIKOR ist schon ergangen. Du tust also
gut daran, dich auf dem schnellsten Wege in die öffentlichen
Bezirke der Stadt zu begeben, wenn dir dein Aufenthalt im Sekretariat
nicht als Verstoß gegen die Personenbewegungsordnung ausgelegt
werden soll.«
Ningmak war überrascht; aber er gehorchte. Anscheinend wollte
man ihm einen Tag Ruhe gönnen. Nach den Anstrengungen des
Austauschgesprächs erschien ihm dies als eine freundliche,
versöhnliche Geste. Er verabschiedete sich von Morvli mit der
Versicherung, er werde morgen früh pünktlich zur Arbeit
erscheinen. Als er ging, rief Morvli ihm nach:
»Ich bin sicher, daß deine Gewissenhaftigkeit bald
Früchte tragen wird!«
Er hatte an drei Turnspielen teilgenommen und fühlte sich
wohlig müde, als er zu Beginn der Privatperiode, kurz nach
siebzehn Uhr, nach Hause kam. Aber es war nicht nur gesunde
Müdigkeit, die ihn erfüllte. Die ganze Zeit über, auch
bei den Turnspielen, waren ihm die seltsamen Ereignisse der letzten
Tage nicht aus dem Sinn gekommen: von der Aufforderung der Bewahrer
über die Torturen des Austauschgesprächs bis hin zu der
kurzen Unterhaltung mit Morvli. Er
hatte darüber gegrübelt, was all diese Dinge zu bedeuten
hatten. Auf geheimnisvolle Weise schienen sie eine Änderung
seines persönlichen Status anzuzeigen. Aber was für eine
Art von Änderung würde es sein? Eine zum Besseren oder eine
zum Schlechteren?
Daß er die Frage sofort als subjektiv und daher schädlich
erkannte, vergrößerte seine Verwirrung. Um siebzehn Uhr
dreißig hielt er es nicht mehr aus und betätigte den
Radiokom. Der Bildschirm leuchtete auf.
AUSKUNFT ÜBER ANSCHLUSSKODE GEWÜNSCHT
Ningmak drückte die Nein-Taste. SONDERERLAUBNIS ZUM ANRUF
PRIVILEGIERTER PERSON GEWÜNSCHT
Ningmak drückte die Ja-Taste. NAME UND EINSTUFUNG DER PERSON
In die kleine Konsole neben dem Bildschirm tippte Ningmak: Suylon,
Analytiker. Danach geschah eine Zeitlang nichts. Das Radiokom-System,
glaubte Ningmak zu wissen, erkundigte sich nun bei Suylon, ob der
Anruf ihm genehm sei. Wie lange er auf Antwort warten mußte,
hing davon ab, wie rasch es dem System gelang, Suylon ausfindig zu
machen.
Nach etwa zwei Minuten erschien die Leuchtschrift:
SONDERERLAUBNIS ERTEILT - DIE VERBINDUNG IST HERGESTELLT
Der Bildschirm flackerte, dann erschien Suylons ernstes Gesicht.
»Was willst du, mein Freund?« erkundigte er sich.
»Ich bin verwirrt«, antwortete Ningmak. »In den
vergangenen Tagen sind mir Dinge zugestoßen, die ich nicht
verstehen kann. Ich fürchte, über meiner Verwirrung die
geistige Konzentration zu verlieren. Dann wäre ich als
Arbeitskraft nur noch halb soviel wert. Das macht mir Sorgen. Deshalb
möchte ich mit jemand sprechen, dessen Weisheit.«
»Dein Bezirks-Psychiker?« unterbrach ihn Suylon.
Ningmak schüttelte den Kopf.
»Ich habe ihn nie zuvor gesehen«, wies er den
Vorschlag zurück. »Er kennt mich nicht. Wie soll er
verstehen, was mich bewegt?«
»Er ist dafür geschult«, ermahnte ihn Suylon. »Er
versteht
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