PR TB 156 Der Löwe Von Akkad
Ochsen und Eseln. Sie arbeiteten einen
Mond, zwei Monde lang, dann kehrten sie wieder zurück auf ihre
Felder und zu ihren Herden. Zeitweilig hatten wir mehr als
vierzehntausend Menschen hier beschäftigt. An etwa fünftausend
Stellen ragten die schwarz-weiß gestreiften Meßpfähle
aus dem Sand und aus den aufgeworfenen Felshügeln und
Lehmbergen.
„Ich vermag es nicht zu glauben. Aber ich bin alt und dumm,
Baumeister!"
„Es gibt Menschen", sagte ich spottend, „die sind
älter als du. Dein Auge ist das eines Würgefalken; nichts
entgeht dir, Verwalter königlicher Gelder und der Heere der
Arbeiter. Zufrieden?"
„Sharrukin wird bald kommen. Was wird er sehen? Eine Stadt,
die aus Erdhaufen und Gräben besteht. Tassende und aber Tausende
von Ziegeln, die gebrannt wurden und unter der Erde vermauert
werden."
„Dafür hat Akkade auch Rohre unter der Erde, in denen
aller Unrat verschwindet. Kein Dreck mehr auf den Straßen,
keine Krankheiten mehr. Und immer genügend Dünger für
die Felder!"
„Erkläre es ihm, Baumeister. Ahhh! Gut bei der Hitze,
aber es verwirrt den Verstand."
„Unmäßig genossen, tun dies auch junge Sklavinnen
aus dem Volk der wilden Gutäer."
Er sah mich prüfend an, dann nickte er. Meine Hütte
stand auf einem hohen Gerüst aus Stämmen, das wiederum auf
einem künstlichen Hügel errichtet war. Von hier aus
übersahen wir die gesamte Stadt. Die Fundamente der Wälle
waren zu erkennen und die Leitungen für Kanalisation und
frisches Wasser. Seit der Nacht, in der wir Akkade betreten hatten,
waren zwei und ein halber Mondwechsel vergangen. Zweiundsiebzig Tage
genau. Wir waren gerade dabei, die Kanäle wieder zu zuschütten
und die Leitungen aus Tonringen und Kupfer in die Richtung der Häuser
und Palastbauten zu verlegen. Rund um die gigantische Baustelle
wuchsen die Felder. Tanura hatte befohlen, daß jeder der
Arbeiter einen einzigen Schößling bringen, einpflanzen und
versorgen sollte. Mindestens eine Viertelmillion neuer Büsche
und Bäume war in einem breiten Gürtel um Akkade gepflanzt
worden. Überall wurde ununterbrochen gearbeitet. Die
Organisation war hervorragend und lag fast ausschließlich in
den Händen Tanuras. Ihn pflegte mit einer Art rührender
Kindesliebe eine junge Gutäersklavin - aber er brachte ihr
höchst unväterliche Gefühle entgegen.
„Die Wahrheit ist auch aus deinem Mund, Mann mit dem
hellbraunen Haar, unbequem."
„Aber sie hilf t allen, sich und die Dinge zu erkennen!"
fügte ich hinzu. Wir hoben die Becher mit dem Bier, das uns
jetzt eiskalt erschien. Überall waren die Gebäude
abgesteckt; die Tempel, Paläste, Kommagazine, die Kasernen, der
große Markt der Stadt, die vielen Wohnhäuser, immer wieder
durch kleine Parks unterbrochen, der künstlich angelegte Bach,
der sich durch die Stadt winden sollte, die Plätze,
Prachtstraßen und Alleen. Und viele andere Teile. Ein Modell
aus hartgebackenen Lehmziegeln befand sich hier unter dem Dach aus
Palmwedeln.
„Selbst Sharrukin in seiner gottköniglichen Ungeduld
wird erkennen, daß man die Perle der Städte nicht in einem
Jahr vollständig errichten kann!" sagte ich und setzte den
Becher ab.
„Aber er ist ungeduldig!" mahnte Tanura. „Er will
Ergebnisse sehen. Du weißt, daß er zu einem Heerzug in
die Gegend südwestlich von Mari rüstet?"
„Würde sein Heer hier arbeiten, würden wir
schneller fertig werden!" widersprach ich. Rhai-ghur war in dem
neuen Stadtteil, den wir bauten - es waren die kleineren
Wohnquartiere der Unterbaumeister, der Steinmetze, der Vorarbeiter
bei den Gruppen, die da unaufhörlich Ziegel strichen.
„Seine Soldaten murren bereits, weil sie riesige Mengen von
Erdpech herankarren müssen!" lachte er. „Deine
Tätigkeit, Baumeister, ist friedenserhaltend. Ich sehe es jetzt
klar."
„Solche Städte können nicht im Krieg erbaut
werden, Verwalter!" schloß ich grob und ging zurück
in den Schatten. Ich verstand ihn, aber mein Plan ging auf. Seit
zweiundsiebzig Tagen war kaum ein Pfeil abgeschossen, kaum ein
Wurfspeer geschleudert worden. Aber der Staat
Akkad litt nicht unter dem abwechselnden Einsatz der Landarbeiter.
In weiteren drei Monden würden wir grüne Hügel hier
haben und die Grundmauern der Speicher, der Stadtumwallung und der
großen Bauwerke. Schamasch war mit uns.
Ein zweitägiges Gewitter verwandelte die riesige Baustelle in
ein Chaos. Teilweise half uns das Wasser, das Sand-, Lehm- und
Schlammströme mit sich riß. Die Materie füllte die
Löcher auf,
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