PR TB 158 Die Frauen Von Avalian
Sorgfältig sah ich mich im Tempel um, wobei ich mich
zunächst ganz nah am Transmitterschacht aufhielt, und mich dann
allmählich von ihm entfernte. Irgendwo mußte etwas
vorhanden sein, womit man den Transmitter tief unter dem Tempel
beeinflussen konnte. Er mußte umzuschalten sein.
So sehr ich mich jedoch bemühte, ich hatte keinen Erfolg. Ich
fand nicht die geringste Spur einer wie auch immer gearteten
Schaltung.
„Galto", rief Elaine. Sie stand noch immer am Ausgang.
Ich ging zu ihr.
„Was ist los?" fragte ich. Sie zeigte stumm nach unten.
Ich sah, daß eine Gruppe von zehn Frauen zu uns heraufkam.
Einige von ihnen waren mit gewehrähnlichen Geräten
bewaffnet. An der Spitze ging die schöne Doyana. Sie hinkte
stark. Arme und Füße waren verbunden.
„Das sieht nicht gut aus", sagte ich besorgt. „Man
scheint uns die Schuld zu geben. Ein Glück, daß ich als
Gott abgesetzt bin. Du wirst es auszubaden haben, Mädchen. So
ist das nun mal. Es ist immer schlecht, wenn man als Göttin
allzu nah bei seinen Verehrerinnen lebt."
„Sei still", erwiderte sie mit gepreßter Stimme.
„Mir ist absolut nicht zum Spaßen zumute." Ich
hüstelte. Mir war ebenfalls nicht wohl in meiner Haut.
7.
Doyana sah bemitleidenswert aus. Sie hielt sich offensichtlich nur
unter größten Anstrengungen aufrecht. Doch in ihrem
Gesicht war davon nichts zu erkennen. Es war maskenhaft starr. Nur
ihre Augen schienen zu leben. Sie blickten Elaine an. Ich dagegen war
für sie überhaupt nicht vorhanden.
Vor Elaine sank die schöne Frau auf die Knie.
„Du hast uns einen Beweis deiner Macht gegeben", sagte
sie ehrfurchtsvoll. Der Translator war so perfekt, daß den
Ausdruck ihrer Worte deutlich nuancierte.
„Wir danken dir."
Ich war verblüfft. Ich hatte damit gerechnet, daß die
Frauen rebellieren und uns verfluchen würden. Mahnend blickte
ich Elaine an, und sie schaltete schnell. Es wäre verhängnisvoll
für uns gewesen, wenn wir in diesem Moment geleugnet hätten,
höhere Wesen zu sein. Mir widerstrebte es, so zu tun, als wären
wir es, aber in dieser Situation blieb uns kaum etwas
anderes übrig. Ich tröstete mich mit dem Gedanken, daß
wir niemandem schadeten, und ich hoffte, daß wir bald
Gelegenheit finden würden, von Avalian zu verschwinden.
„Darf ich eine Frage stellen, Erhabene?" fragte Doyana
vorsichtig.
„Du darfst."
Die Avalianerin wandte mir kurz das Gesicht zu, ohne mich dabei
allerdings anzusehen.
„Wer ist er?"
Elaine antwortete nicht, weil sie nicht wußte, wie sie sich
verhalten sollte. Ich fluchte still in mich hinein. Ich hatte nicht
damit gerechnet, daß die Avalianerinnen einen so deutlichen
Unterschied zwischen mir und Elaine machen würden, obwohl schon
manches vorher daraufhingedeutet hatte.
„Er hat den Tempel verlassen wie ein Niederer. Er hat sich
gegen das Befohlene gewehrt und mich von dem Weg zurückgezogen,
der mir bestimmt war. Ich hörte, daß er es gewagt hat,
seine Stimme gegen dich zu richten. Wer ist er?" „Später",
erwiderte Elaine ausweichend.
„Ich werde dir später alles erklären."
„Verzeih mir", bat Doyana bestürzt. Sie senkte den
Kopf. Mir platzte fast der Kragen. Ich hatte ja Verständnis
für den religiösen Irrtum der Avalianerinnen. Das war aber
kein Grund, mich aus dem Kreise jener auszusortieren, die hier
Respekt verdient hatten. Ich fluchte auf diese Frauenwelt, wußte
aber nicht, wie ich meinen Protest am besten anbringen konnte. Also
stellte ich ihn zurück.
Ich setzte ein überlegenes Lächeln auf. Ich gab vor, die
Gelassenheit selbst zu sein und kreuzte die Arme vor der Brust. Dann
wippte ich lässig auf den Zehenspitzen und wartete erst einmal
ab. Doch Doyana schwieg.
Einem spontanen Gedanken folgend, schaltete ich meinen Videohehn
ein. Auf dieser Welt gab es eine hochentwickelte Technik. Also konnte
ich mich mit ein wenig Glück auch mit Hilfe meines Spezialgeräts
darüber informieren, was wirklich vorging. Ich hatte Pech. Ich
empfing überhaupt nichts, weder einen Ton noch ein Bild.
Enttäuscht schaltete ich wieder ab.
„Wir werden dieses Tal verlassen", erklärte Doyana
und erhob sich endlich wieder, „und wir bitten dich, mit uns zu
gehen."
Ich nickte Elaine zu.
„Einverstanden", erwiderte sie, „ich möchte
jedoch später noch einige Male hierher zurückkehren."
„Die Erhabene kann gehen wohin sie will", sagte Doyana,
neigte den Kopf, drehte sich um und schritt mit ihren Begleiterinnen
davon.
„Bist du verrückt?" fragte Elaine, als
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