PR TB 158 Die Frauen Von Avalian
habe ich ein menschliches
Wesen vor mir, das Mitleid verdiente.
Ich wurde unsicher.
Dann aber neigte sich der humanoide Körper vor, und die
beiden Arme streckten sich nach einer schweren Metallstange aus, die
aus dem Boden ragte. Ich erkannte rechtzeitig genug die Absicht und
griff entschlossen an. Wuchtig rammte ich dem Tier den Splitter in
den humanoiden Oberkörper.
Das monströse Wesen fuhr mit einem schrillen Aufschrei einige
Meter weit zurück. Schreiend versuchte es, den Splitter
herauszuziehen. Rötliches Blut schoß in breitem Strom aus
seiner Brust.
Ich spürte, daß ich am ganzen Körper zitterte.
Plötzlich bereute ich, was ich getan hatte, obwohl ich mir
darüber klar war, daß ich gar nicht anders hatte handeln
können. Ich war zum Angriff gezwungen worden, oder ich hätte
mich opfern müssen.
„Komm, Galto!" rief Elaine, die nunmehr allein auf der
Barriere stand.
Ich konnte mich nicht regen. Irgend etwas lähmte mich. Ich
beobachtete, wie die Chitinbeine des Krebskörpers unter der Last
der erschlaffenden Muskeln nachgab. Der humanoide Oberkörper
warf sich wie in höchsten Qualen hin und her, während immer
wieder klagende Laute aus dem Raubtierrachen kamen.
Dann endlich kippte der Kopf nach vom, und das Tier stürzte
zu Boden. Die Hände krallten sich um einige Trümmerstücke,
als suchten sie einen letzten Halt, und dann war alles vorbei.
Ich ging mit schleppenden Schritten zur Barriere und kletterte
hinauf. Ich hatte einen schalen Geschmack auf der Zunge, und ich
spürte, daß ich irgend etwas falsch gemacht hatte.
Als ich oben auf der Barriere stand, sah ich, daß dahinter
etwa hundert Frauen und Kinder warteten. Sie blickten mich voller
Entsetzen und Abscheu an, wandten sich ab und hasteten davon. Sie
zogen Elaine mit sich, die inzwischen zu ihnen hinabgestiegen war.
„Was hätte ich denn tun sollen?" fragte ich.
Jetzt zweifelte ich nicht mehr daran, daß ich tatsächlich
abermals einen Fehler gemacht hatte. Aber ich wußte nicht, wie
ich ihn hätte vermeiden können.
Ich vernahm Schreie hinter mir. Als ich mich umdrehte, sah ich,
wie zwei Frauen und ein Kind von zwei Krebswesen zerfetzt wurden. Sie
standen zwischen diesen Bestien, ohne sich zu wehren. Etwa dreißig
Meter von ihnen entfernt tauchte eine Gruppe von Flüchtlingen
zwischen den Trümmern auf. Sie wichen entsetzt zurück und
verschwanden wieder. Wenig später sah ich, wie sie sich westlich
von mir in Sicherheit brachten.
Keiner von diesen gequälten Menschen schien auf den Gedanken
zu kommen, gegen die monströsen Wesen vorzugehen. Man lief
einfach vor ihnen davon, und wenn das nicht möglich war, ließ
man sich umbringen.
Ich konnte es nicht fassen.
Verwirrt und erschöpft kletterte ich von der Barriere
herunter und folgte Elaine, die zusammen mit den anderen Frauen schon
einen großen Vorsprung vor mir gewonnen hatte. Vereinzelt
bemerkte ich Frauen in meiner Nähe. Sie beachteten mich nicht
oder wichen mir aus. Das störte mich nicht sonderlich, doch als
zwei verkrüppelte Männer verächtlich den Handrücken
vor den Mund preßten und sich hinter die Wände einer Ruine
zurückzogen, stieg die Wut in mir auf. Diese armseligen
Kreaturen hatten wahrhaftig keinen Grund, sich mir gegenüber
erhaben zu fühlen.
Ich rannte los und kam bald bis in die Nähe von Elaine. Wir
hatten das aufsteigende Gelände schon erreicht. Bis hierher war
das Wasser nicht gekommen. Zahlreiche Frauen schirmten Elaine ab. Ich
bemühte mich, zu ihr zu gelangen, aber ich schaffte es nicht.
Schließlich blieb ich stehen und blickte zurück. Der
Strom der Flüchtlinge aus der Stadt wurde deutlich dünner.
Man schleppte Verletzte mit sich und kam dadurch nicht so schnell
voran, aber das war auch gar nicht notwendig, denn seltsamerweise
drangen die monströsen Krebswesen nicht bis zur Stadtgrenze vor.
Sie blieben in den Trümmern und suchten hier ihre Beute.
Als ich mich wieder umwandte, sah ich, daß Flugzeuge in dem
hügeligen Gelände landeten. Sie flogen lautlos. Es waren
plumpe Maschinen mit Stummelflügeln. Sie nahmen die Flüchtlinge
auf und starteten sogleich wieder.
Erneut bemühte ich mich, in die Nähe Elaines zu kommen,
um von ihr nicht getrennt zu werden. Aber Elaine stieg in eines der
Flugzeuge und verschwand damit.
Nun verwehrten die Frauen mir den Zutritt zu den anderen
Maschinen. Sie sagten nichts und stellten sich mir auch nicht direkt
in den Weg. Sie taten vielmehr so, als bemerkten sie mich nicht und
drängten sich immer
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