PR TB 158 Die Frauen Von Avalian
laut.
Da ich wußte, wo ich Elaine zurückgelassen hatte, fand
ich sie schnell. Die Frauen und Mädchen vor ihr machten mir
Platz. Mir fiel gar nicht auf, daß sie sich abwandten, ohne
mich anzusehen.
Elaine atmete auf, als ich sie erreichte. Sie erhob sich und
schmiegte sich an mich.
„Ich hatte solche Angst um dich", sagte sie.
Ich strich ihr tröstend über das Haar.
„Es ist ja alles gut gegangen", erwiderte ich. „Wenn
mich nicht ein vor Angst verrückt gewordenes Riesenweib
niedergeschlagen hätte, dann wäre ich schon früher bei
dir gewesen."
Sie antwortete nicht, sondern blickte starr vor Schrecken auf die
Ebene hinaus. Beunruhigt drehte ich mich um.
Nicht nur das Erdbeben bedrohte die Stadt. Ein Seebeben hatte eine
hohe Flutwelle aufgeworfen, die nun auf uns zurollte. Noch war sie
kilometerweit entfernt, aber schon jetzt war zu erkennen, daß
sie die Stadt überschwemmen würde.
Ich legte den Arm um Elaine.
„Nach oben", flüsterte ich ihr zu. „Schnell."
Wir schoben uns durch die Menge, die allmählich in Bewegung
kam. Mehr und mehr Frauen erkannten die Gefahr, und eine allgemeine
Flucht die Treppen hoch setzte ein. Ein unheimliches Donnern eilte
der Flutwelle voraus.
„Hoffentlich lastet man uns das nicht an", rief Elaine,
während wir immer schneller die Stufen hoch stürmten.
„Warum sollte man?" fragte ich.
„Vergiß nicht, wir sind Götter!"
„Du vielleicht", antwortete ich wütend. „Ich
nicht. Du hast dafür gesorgt, daß man mich nicht mehr für
einen Gott hält."
„Dafür vielleicht für den Satan", antwortete
sie gereizt.
Die Menge begann zu schreien. Ich blickte zurück. Aus den
Trümmern der Stadt flohen Tausende von Frauen. Viele von ihnen
würden es nicht mehr schaffen, sich rechtzeitig in Sicherheit zu
bringen. Das schien schon jetzt klar.
Die Flutwelle war nur noch etwa einen Kilometer entfernt. Ich
schätzte, daß sie ungefähr zwanzig Meter hoch war.
Das ganze Tal hatte sich in eine schäumende, gischende See
verwandelt. Auf der Nordseite der Stadt stiegen pausenlos kleine
Flugzeuge mit Stummelflügeln auf. Der Flugplatz, der dort
irgendwo sein mußte, schien also noch in Ordnung zu sein.
Wir hatten den Tempel erreicht. Unter den Torbögen blieben
wir stehen. Elaine und ich gehörten zu den ersten, die bis
hierher gekommen waren. Mir drehte sich etwas in meinem Innern um,
als ich beobachtete, wie sich die Männer verhielten. Die
kläglichen Gestalten klammerten sich an die Frauen. Kreischend
und wimmernd versuchten sie, von ihnen gerettet zu werden. Doch die
Frauen und Mädchen kümmerten sich nicht um sie. Sie
bemühten sich vor allem um die Kinder und die alten Frauen.
Auf der Treppe wimmelte es nun von Menschen. Alles suchte das Heil
in der Nähe des höchsten Punktes über der Stadt, wo
der Tempel stand.
„Geh in den Tempel", befahl ich Elaine. „Hinter
dem Schacht mit dem blauen Auge stehen auf einem erhöhten Sockel
Statuen. Dort bist du am sichersten."
„Ich bleibe hier", erwiderte das Mädchen
aufbegehrend.
„Du tust, was ich dir gesagt habe", brüllte ich
sie an. Ich sah, daß die Frauen in unserer Nähe sich uns
überrascht zuwandten.
„Ich bleibe", entgegnete Elaine trotzig. „Du
kannst mir gar nichts befehlen.
„Ich kann noch etwas ganz anderes, wenn du nicht parierst",
schrie ich und hob die Hand. Elaine erbleichte und floh in das Innere
des Tempels. Ihr Widerstand war gebrochen.
Nun flutete die Welle der Flüchtlinge heran. Sie prallten
gegen die Mauer, die die Frauen und Mädchen bildeten, bis sie an
den Tempel herangelaufen waren. Niemand aber betrat den Tempel
selbst, obwohl darin noch Platz für wenigstens tausend Menschen
war.
Ich packte die nächsten Frauen, riß sie herum und
schrie ihnen zu, daß sie in den Tempel gehen sollten. Sie
stellten sich taub. Da stieß ich sie einfach weiter. Der
Widerstand der Menge, die sich vor dem Tempel staute, ließ
nach. Mehr und mehr Menschen eilten in den
Tempel und machten so den Nachdrängenden Platz.
Ich selbst blieb vor den Torbögen, als die Flutwelle endlich
mit vehementer Wucht über die Trümmer der Stadt
hinwegraste. Um mich herum schrien die Frauen, Kinder und Männer.
In höchster Todesangst versuchten alle, so hoch wie möglich
zu kommen.
Das Wasser schoß heran und schwappte die Treppe bis weit
über die Hälfte hinauf. Holz, Bäume, Kisten, Schalen,
Hausteile und zahllose weitere Dinge wirbelten durch die Luft,
emporgeschleudert von dem explosionsartig in die
Weitere Kostenlose Bücher