PR TB 162 Karawane Der Wunder
sahen
aus dunklen Türhöhlungen Kinder hervor. Ein seltsamer,
trunken machender Geruch hing in der Luft. Es war früher
Nachmittag.
»Rantiss! Asyrta!« rief ich. Aus dem Innern eines
Hauses, das durch weit vorspringende Dächer und Säulen wie
ein simpler Palast wirkte, kam die Antwort.
»Wir sind hier! Kommt herein!«
»Wir kommen!« schrie Skath zurück. Woran lag es,
daß wir unsicher zu werden begannen? Während wir die
Pferde an einen Baum banden, ich einen Gepard als Wache zurückließ
und dem anderen winkte, sahen wir uns um. Die Siedlung machte, zwar
von den Spuren des überstandenen Winters gezeichnet, einen guten
Eindruck. Die Bewohner schienen reich und fleißig zu sein, die
Kinder sahen wohlgenährt aus, und was wir in diesem kurzen
Rundblick erkennen konnten, sah sorgsam behandelt aus. Vorsichtig,
die Finger um die Dolchgriffe, gingen wir zwischen den weißgekalkten,
mit breiten Bronzebändern zusammengehaltenen Holzsäulen
hindurch, auf einen Eingang zu, hinter dem sich ein sandgefüllter
Innenhof öffnete. Dort standen unsere Männer und Asyrta im
Halbkreis um einen alten, weißhaarigen Mann herum.
»Warte, Alter. Hier kommt unser Fürst«, sagte
Rantiss. Sein Gesicht trug jenen Ausdruck, den ich kannte; gespannte
Wachsamkeit, dennoch gelockert.
Wir betraten den Hof, kamen näher heran und blickten in die
überraschend klaren Augen des Greises. Rantiss machte eine
einladende, erklärende Bewegung und sagte zu uns:
»Dies ist der ältere Bruder des toten Fürsten. Der
Fürst starb nach einem Frühlingsfest, vor fünf Tagen.
Seit dieser Zeit zieht der Trauerzug von Siedlung zu Siedlung. Der
Bruder, Dsiga ist sein Name, sagt, wir könnten ein paar Tage
bleiben. Bis sie einen neuen Fürsten haben, wahrscheinlich den
ältesten Sohn des Toten, regiert er.«
Ich trat auf den Alten zu, der nicht nur offene Augen, sondern ein
gutes glattgeschabtes Gesicht hatte. Wir schüttelten uns
einander die Hände, indem wir unsere Handgelenke packten. Der
Alte bohrte seine
Augen in mein Gesicht und betrachtete mich prüfend und lange.
»Du versprichst, daß du nur handeln willst, daß
deine Leute uns nicht zwingen, sich zu fürchten oder zu wehren?«
fragte er schließlich mit seiner dünnen, aber festen
Stimme.
»Ich verspreche es. Und wenn meine Leute sich etwas
zuschulden kommen lassen, so werden sie bestraft.«
»Gut. So kommt, lagert an dem Platz, den ich diesem
bewaffneten Reiter gezeigt habe, und wenn ihr gehandelt habt und
gesättigt seid, sollt ihr auf eurem Weg weiterziehen. Aber wir
haben nicht mehr sehr viel gemahlenes Korn, müßt ihr
wissen.«
»Ich danke dir«, sagte ich. »Wir selbst wollen
so schnell wie möglich weiter.«
Draußen erhob sich der Lärm, den einige hundert
erschöpfter Menschen erzeugten. Der Bruder des Herrschers führte
uns hinaus.
»Deine Leute«, fragte ich, »die vom Begräbnis
zurückkommen und erschöpft sind und bluten. was tun sie?«
Er deutete auf das Haus mit den rauchenden Kamin.
»Seht selbst!«
Wir gingen mit dem schweigenden erschöpften Zug mit. In dem
Haus, das vollkommen fensterlos war, befanden sich Kessel voller
Wasser. Das Feuer erhitzte viele große Steine, und auf den
flachen Teilen der Steine ging von gemahlenen Samen eines bestimmten
Hanfes ein fahler, graublauer Rauch aus. Die Barbaren gingen in das
Haus hinein, zogen sich aus und setzten sich auf den Boden, auf
Holzbänke und feuchte Steine, auf Körbe, aus Weidenrohr
geflochten und andere Sitzgelegenheiten. Sie waren total erschöpft
und taumelten, aber der Rauch in dem langgestreckten Innenraum schien
sie wieder aufzumuntern. Immer mehr drängten sich an uns vorbei,
wir husteten, unsere Augen tränten. Dann packten einige von
ihnen die heißen Steine mit hölzernen und kupfernen Zangen
und warfen sie in die Kessel.
Dampf zischte auf und breitete sich nach allen Seiten aus. Der
Hanfsamengeruch ließ uns schwindlig werden; wir zogen uns
zurück und ließen den schweren Fellvorhang vor die Tür
fallen. Dort drinnen schwitzten mehr als hundert Menschen mit
ebensolcher Inbrunst, wie sie sich gepeitscht und verwundet hatten.
»Sie schwitzen. Der Dampf reinigt den Körper und läßt
das Blut schneller kreisen«, erklärte der Alte. »Dann
gehen wir ins kalte Wasser und schlafen. Morgen sind wir wieder ganz
gesund.«
Wir warteten eine halbe Stunde, dann stolperten die nackten
Bewohner dieses bemerkenswerten Ortes aus dem Dampfhaus. Sie
schleiften ihre Stiefel und Kleidung hinter sich her und
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