PR TB 165 Nomaden Des Meeres
fingerartige
Auswüchse nach unten.
Wasserhosen! Säulen aus rasend bewegten Teilen! heulte der
Extrasinn.
Die Dunkelheit nahm zu. Sie wirkte wie eine Sonnenfinsternis. Das
Meer nahm eine tief grüne, fast schwarze Farbe an, von der sich
die Schaumkronen gestochen scharf abhoben. Das Schiff raste jetzt,
den Bug und den Kiel aus dem Wasser, dahin. Steuermanöver würden
nicht viel nützen, aber unser Ziel lag ja geradeaus. Jetzt
berührte der erste der schwarzen Ausläufer, die über
die Wasserfläche zu tasten und dann einzutauchen schienen, das
Meer. Augenblicklich wurde eine Säule daraus, die in zwei, drei
Windungen vom Wasser bis ins Zentrum der Wolke hinaufreichte. Wir
sahen, wie gewaltige Mengen Meerwasser hochgerissen wurden, von der
Säule in Drehung versetzt wurden und die Wasserhose stabiler,
größer und schneller machten.
Ununterbrochen zuckten rings um dieses Schauspiel verzweigte
Blitze. Der Sturm heulte in einem beängstigend tiefem Ton und
schluckte fast das harte Krachen des Donners. Ich packte Asyrta um
die Hüften und schob sie hinüber zu Gerth, der mit
verwegenem Grinsen die Bewegungen des Schiffskörpers abfederte.
»Nimm sie! Unter Deck! Sage den anderen, sie sollen sich
festhalten. Gleich beginnt ein höllischer Tanz. Die
Segelmannschaft soll sich festbinden - schnell, Krückenmacher!«
brüllte ich, so laut ich konnte. Sie stolperten hin und her,
aber es gelang ihnen, den Niedergang ohne Knochenbruch zu bezwingen.
Ich zog den Knoten eines Taus auf, sicherte mich am Schaft des Ruders
und gab das andere Ende dem Steuermann.
»Festbinden!«
Während ich das Ruder übernahm, sicherte sich Cheper.
Wir packten die Pinne des Ruders und blieben rechts und links davon
stehen.
»Sieht böse aus!«
Ich duckte mich und starrte am Rand des Segels vorbei zur Küste.
Ich sah sie nicht. Überall war Wasser; handelte es sich nun um
Regen oder um hochgerissenes Salzwasser? Die Tropfen beschrieben fast
waagrechte Bahnen. Immer wieder erstarrten die Wogen in den
Momentaufnahmen der Blitze. Der Donner machte uns taub, der Wind
zerrte am Haar, und die Wassertropfen schlugen schmerzhaft in unsere
Haut. Die Wassersäule, die sich in rasend drehender Bewegung
befand, ging hin und her, beschrieb zwischen Meer und
Wolkenuntergrenze pendelnde Bewegungen und kam uns näher. Sie
schien trotz aller Bewegungen auf das Heck der ZEDER zu zielen.
Erreichte uns dieses Ungeheuer aus Luft, Wasser und Drehimpulsen,
zerfetzte es das Schiff und wirbelte die Menschen wie Holzsplitter
umher. Und noch immer zuckten ununterbrochen die Blitze, hämmerte
der Donner gegen unsere Trommelfelle, überschüttete der
Regen das Meer ringsum und das Schiff mit seinen harten Einschlägen.
Wir segelten rasend schnell ins Unbekannte hinein - ob die Felsen der
Küste einen Bogenschuß oder eine Tagesfahrt weit entfernt
war, konnten wir höchstens noch erraten. Mir kam ein kühner
Gedanke. Ich riß mit fliegenden Fingern die Knoten um meine
Hüfte auf, hoffte im stillen, daß Horus sich in Sicherheit
gebracht hatte, und begann über das schlüpfrige Deck auf
den Niedergang zuzutaumeln. Ich rutschte ihn herunter und nahm
irgendwie wahr, daß Cheper mir etwas hinterherrief.
Ich sprang zwischen Neb-Nefer und Siren, der mit grünem
Gesicht dasaß und starr in die Wolken hinaufsah, in die
Achterkabine und packte meine Lanze. Schnell kämpfte ich mich
wieder an Deck und sah, daß die Wasserhose tatsächlich
noch näher gekommen war. Ich schätzte sie nicht weiter
entfernt als einen Bogenschuß.
Ich brachte es irgendwie fertig, Cheper zu erreichen und mich an
seiner Schulter anzuklammern. Inzwischen hatte sich der Regen in
Hagel verwandelt. Schloßen, so groß wie Nagelköpfe,
prasselten über das Schiff. Ich fühlte, wie mich Cheper am
Ruder festband. Der Steuermann schien begriffen zu haben, was ich
vorhatte.
Probiere es! Es muß wirken! schrie der Logiksektor.
Ich richtete die Spitze der schweren Lanze auf die Wasserhose. Sie
ragte wie eine Säule aus einer Riesenwelt hinter dem Schiff auf.
Ihre Wände schienen glatt wie polierter grünschwarzer
Granit zu sein, in dem sich die Blitze spiegelten. Als ich losdrücken
wollte, begann an der Spitze der Waffe eine gelblich-grüne
Flamme zu züngeln. Überall auf den nassen Holzteilen sah
ich Linien und zungenförmige Flämmchen. Ein geisterhafter
Moment. Ich preßte den Auslöser hinein.
Ich spürte nur in meinen Händen die Vibrationen. Die
grelle Helligkeit blendete mich ebenso wie die Blitze.
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