PR TB 188 Computer Kid
„ „Das
bedeutet, daß Sie sich nicht frei bewegen dürfen."
„ „Wie lange?" fragte Kyron Barrakun.
„ „Keine Ahnung", antwortete Inspektor Chandiya.
„ „Aber es ist alles nur zu Ihrem Besten, Mister
Barrakun. Vielleicht zweifeln Sie jetzt noch daran; aber Sie werden
bald merken, daß es stimmt. Sobald Sie in der Lage sind, die
komplizierten technischen und gesellschaftlichen Zusammenhänge
der irdischen Zivilisation zu verstehen und sich selbständig
darin zu bewegen, sind Sie resozialisiert."
Er lächelte dem Verwahrten gönnerhaft zu, dann verließ
er den Raum. Kyron Barrakun eilte zur Tür und versuchte, sie zu
öffnen. Bald sah er ein, daß das ohne technische
Hilfsmittel nicht möglich war.
„ „Terraner!" stieß Kyron wütend
hervor. Es klang wie ein Schimpfwort.
Ungefähr zwanzig Stunden lang lag er auf der Pneumoliege und
grollte, dann bekam er trotz seines Stimmungstiefs Hunger.
Er setzte sich in einen der Stahlrohrsessel am Tisch, rutschte mit
ihm bis vor die Kontrollen des Versorgungs-Terminals und tastete eine
Anforderung der Speisen- und GetränkeÜbersicht.
Während er auf die Antwort wartete, tastete er spielerisch
auf den Kontrollen herum — und plötzlich merkte er, daß
die Anlage eine Nebenstelle des Computers war, der das
Resozialisierungszentrum von Colombo verwaltete" und daß
die Rückkopplung keine Sperren gegen Beeinflussung des Computers
über die Terminals enthielt.
Kyron Barrakun wollte es erst nicht glauben, doch dann überlegte
er sich, daß es wahrscheinlich nur wenige oder gar keine
Menschen gab, die verstandesmäßig und emotional allen
positronischen, elektronischen und inpotronischcn Systemen so
nahestanden wie er. Deshalb gab es keine Sperren, denn Manipulationen
aus den Zellen heraus waren praktisch unmöglich.
Allerdings hätte auch niemand so virtuos mit den
Rückkopplungs-Schaltfeldern umgehen können wie Kyron.
Niemand vermochte sich in das Denken und in die Grundvorgänge
innerhalb positronischer und elektronischer Systeme so perfekt
hineinzudenken wie er.
Ein lange nicht erlebtes Hochgefühl durchströmte ihn,
als seine Gedanken die Schaltfelder durcheilten (indirekt natürlich)
und die Fäden des komplizierten Rückkopplungssystems des
gesamten Resozialisierungszentrums in die Hand nahmen.
Während Kyron Barrakun nebenbei ein vegetarisches Menü
bestellte und verzehrte, errang er die Kontrolle über sämtliche
elektronischen und positronischen Systeme des
Resozialisierungszentrums. Außerdem erfuhr er, welche anderen
Personen noch hier festgehalten wurden und aus welchen Gründen.
Schließlich sorgte er dafür, daß der
Zentralcomputer ihm eine Urlaubskarte ausdruckte. Einen
Entlassungsschein und eine ID-Karte konnte er vom Zentralcomputer des
Resozialisierungszentrums nicht bekommen. Dafür war die
Regionsverwaltung zuständig, die Kyron nicht beeinflussen
konnte.
Immerhin gelang es ihm, einen Urlaub ohne Endtermin aufdrucken zu
lassen, so daß sein Urlaubsschein praktisch die Funktion einer
normalen ID-Karte erfüllte. Er garantierte ihm zudem den
gleichen Kredit, wie die Behörden Terras ihn jedem Rücksiedler
gewährten, der noch keine feste Arbeitsstelle besaß.
Dadurch waren seine Sorgen hinsichtlich Nahrung, Unterkunft und
Mobilität beseitigt, denn selbstverständlich konnte er mit
seiner Karte überall auf der Erde in durchschnittlichen
Unterkünften wohnen, Nahrungsmittel und Gebrauchsgüter der
mittleren Preisklassen erhalten und die öffentlichen
Verkehrsmittel benutzen. Keiner der menschlichen Beschäftigten
des Resozialisierungszentrums schöpfte Verdacht als der
Zentralcomputer die Entlassung Kyron Barrakuns veranlaßte und
entsprechende Anweisungen an die zuständigen Angestellten gab.
Das lag daran, daß mit den entsprechenden Formalitäten
keine wissenschaftlichen Leitungskräfte betraut waren, sondern
nur Angelernte, die nicht viel mehr als ausführende Organe des
Zentralcomputers waren.
Dabei hätte zumindest der „ „Verwaltungsdirektor"
der schließlich wußte, daß Kyron erst vor
rund einem Tag eingeliefert worden war, Verdacht schöpfen
müssen. Aber da er nicht besonders intelligent war, weil zu
seiner Arbeit nur die nette Verabschiedung" kurierter Verwahrter
gehörte, und er gewohnt war, sich hundertprozentig auf die
Computer zu verlassen, fiel ihm nichts auf.
Er redete seinen Vers von der Freude über die
Resozialisierung des Mitbürgers und seine besten Wünsche
für das Leben in der freien Gesellschaft herunter,
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