PR TB 198 Das Tor Zur Tiefe
Dewitte vor seinen
Augen aus dem Nichts materialisiert. Er selbst war noch keine volle
Minute an diesem fremden Ort, und er hatte sich noch nicht umsehen
und orientieren können.
„Wo sind wir denn diesmal gelandet?" fragte die Frau
entspannt. Die Angst der letzten Minuten war verschwunden. Die
todbringenden Anlagen der Tardellianer und Hurozons schienen doch
nicht so gefährlich zu sein, wie sie ursprünglich vermutet
hatten.
„Unsere Duplikate sind weg", stellte Saedelaere fest,
„und die Fesseln sind auch weg. Aber mein Cappin-Fragment
rebelliert noch immer, wenn auch nicht mehr so stark."
„Ist es etwa so stark", wollte Indacochea wissen, „wie
auf Rozon zur Nachtzeit?"
„Ja, warum?"
„Es unterstützt die Theorie, die ich inzwischen über
das biologische Wechselspiel zwischen Twinzwergen und Hurozons
aufgestellt habe. Es bedeutet auch gleichzeitig, daß wir wieder
auf Rozon gelandet sind. Fragen Sie mich aber nicht wie und warum.
Sehen Sie sich doch einmal um."
Da war zunächst ein gleichmäßiges Geräusch,
das den ganzen Raum erfüllte. In der Mitte dieses Raumes stand
eine mehrere Meter durchmessende Säule, die schwach leuchtete.
In ihrem Innern strömte eine Flüssigkeit nach oben.
Alaska trat hinzu und berührte die Säule vorsichtig.
„Ein Energiefeld in Form einer Röhre, durch die Wasser
nach oben fließt", konstatierte er.
Das schwache Licht der Säule warf nur wenig Helligkeit auf
die Umgebung, die sie wie ein geschlossener Dom umgab. Er eilte zu
einer Seitenwand und sah, wie dort das Wasser wieder nach unten
strömte. Hier lenkte eine sinnreiche Anordnung von
Energiegittern den Wasserfluß.
Er kehrte zu den beiden Solgeborenen zurück.
„Nun?" fragte Indacochea erwartungsvoll.
„Wir befinden uns im Innern des Riesenbrunnens des
Wassergotts Chaf fiepresto", sagte Saedelaere.
„Das glaube ich auch", bestätigte der
Biogen-Diagno-stiker.
„Sehen Sie einmal nach unten, Alaska", verlangte Rosy.
Der Maskenträger folgte ihrer Hand. An einigen Stellen waren die
Steine des Bodens teilweise durchsichtig. Darunter glänzte es
vom Metall einer technischen Anlage. „Allmählich wird mir
einiges klar", sagte Saedelaere. „Das Tor zur Tiefe, die
Feuergrube in dem Tempel und dieser gigantische Brunnen sind weiter
nichts als komplizierte und unverständliche Einrichtungen, die
in die Lebensprozesse der Tardellianer und der Hurozons eingebunden
sind."
„Die technische Seite müssen Sie beurteilen."
Indaco-chea sprühte vor wissenschaftlichem Interesse. „Ich
kann einen Beitrag aus meinen Überlegungen und Untersuchungen
beisteuern. Das Bild der Genstrukturen der Hurozons hat mir deutliche
Hinweise gegeben. Bei den Twinzwergen dürfte es nicht anders
sein. Beide Völker sind in Wirklichkeit nur eins. Beide scheinen
davon aber nichts zu wissen. Sie folgen stur einer vorgegebenen
Programmierung ihrer Gene. Der Sinn des Ganzen ist völlig
unklar. Aber der Ablauf läßt sich einigermaßen
erkennen. Aus einem Tardellianerpär-chen wird ein Hurozon. Das
Zwillingspaar gehört untrennbar zusammen. Darum gehen beide in
den Tod. Der durch den Gang durch das Tor zur Tiefe entstandene
Hurozon entsteigt dem Brunnen des Chaffiepresto. Die Hurozons
bestatten ihre Toten vermutlich in dem Tempel, in dem man uns auch
ins Jenseits befördern wollte. Als
Zwillingstardellianer nehmen die Mütter der Neuen diese in
Empfang. Der ganze Vorgang stellt eine Art künstlich gesteuerte
Metamorphose dar."
„Warum aber das Ganze?" fragte Rosy.
„Einen natürlichen Grund kann es dafür nicht
geben", meinte der BiogenDiagnostiker. „Die Manipulationen
in den Gen-Strukturen sind zu eindeutig. Irgendjemand hat hier von
außen in die Natur eingegriffen. Es gibt ein paar ganz
verblüffende Feststellungen, besonders wenn wir unsere eigenen
Durchgänge durch diese Metamorphoseeinrichtung mit dem Kommen
und Gehen dieser beiden Völker vergleichen. Tardellianer und
Hurozons verlieren die Erinnerung an ihr früheres Dasein.
Tardellianer werden zu echten Zwillingen. Bei uns war das ganz
anders. Wir behielten alle Erinnerungen, und unsere Duplikate waren
leblos. Es hat den Anschein, daß die technischen Aspekte dieser
Anlagen speziell auf diese Völker ausgerichtet wurden. Wenn ich
mir im Nachhinein überlege, was alles mit uns hätte
geschehen können, läuft es mirjetzt noch kalt über den
Rücken."
Alaska Saedelaere blickte den Solgeborenen nachdenklich an.
Anfangs hatte er ihn nur als einen Hemmschuh betrachtet.
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