PR TB 212 Expedition Der Todgeweihten
wir", bestimmte Cavus. ,,Der Rest des Weges
ist gefährlich, denn müssen wir bei Tag zurücklegen."
„Wird man uns nicht finden?"
„Vom Tal aus sind wir nicht zu sehen. Es gibt hier eine
Nische im Fels, dort werden wir uns verbergen."
Die Nische war bald gefunden. Für sieben Erwachsene bot sie
keinen Platz, vier mußten draußen bleiben und zusehen, wo
sie sich vor den neugierigen Blicken der Shakootee verbargen.
Im Tal branntenjetzt sämtliche Hütten. Wehrufe klangen
zum Himmel hinauf -Schmerzensschreie der Männer, verzweifelte
Rufe der Frauen, das Jammern von Kindern, die nach ihren Müttern
schrien.
Kamee war noch nie so unvermittelt hart mit Gewalt
zusammengestoßen. Für sie waren Mord, Totschlag, Krieg und
Überfall etwas, was im Trivid stattfand, worüber man las
und was einem Spaß bereitete, wenn der Held am langen
Kronleuchterseil durch den Bankettsaal hangelte, um dem Mörder
auf dem Königsthron mit eigener Hand den Garaus zu machen - oder
was auch immer sich an romantischer Aktion in solchen Streifen
abzuspielen pflegte. In den meisten dieser Streifen rempelten Männer
gegeneinander, und der Böse fiel und wurde nicht mehr gesehen,
während der Held seinen Siegeslauf fortsetzte.
Kamee preßte sich hart an den Fels. Sie versuchte gar nicht
erst, sich auszumalen, was in diesen Augenblicken unten im Tal
geschah, wo richtiges Blut floß und tatsächlich gelitten
und gestorben wurde. Dennoch drängten sich ihr gräßliche
Bilder auf.
Unwillkürlich griff sie nach der Schulter. Sie versuchte,
sich den Schrecken und den Schmerz vertausendfacht vorzustellen, aber
für diese Aufgabe reichte ihre Phantasie nicht aus.
Sie wußte selbst nicht, woher sie dazu die Nervenstärke
aufbrachte, aber es gelang ihr tatsächlich, für ein paar
traumlose Stunden in Schlaf zu fallen.
Als sie erwachte, war es früher Morgen. Über dem Tal
dämmerte es. Der Talboden war vom Morgennebel bedeckt. Aus dem
weißlichen Schleier quoll es in fettem Schwarz hervor. Noch
immer knisterte die Glut im Gebälk der Hütten.
Es war still geworden. Nur das Streichen des Windes war zu hören
und die Atemzüge der Flüchtenden, die sich gegeneinander
drängten, um sich vor der Morgen-kühle zu schützen.
Kamee warf einen Blick zurück.
Von einem Weg konnte überhaupt keine Rede sein. Der Pfad, den
Cavus sie hinaufgeführt hatte, war nicht mehr als ein
zentimeterbreites Band im Fels, gerade zu erkennen. Kamee wurde noch
nachträglich fast übel vor Angst.
„Weiter!" drängte Cavus. ,,Wir können hier
nicht bleiben. Früher oder später würden sie uns
finden."
Reginald Bull spähte hinab in die Tiefe. Kamee konnte sehen,
daß ihm der Anblick überhaupt nicht gefiel.
,,Und wohin fliehen wir?"
„Weiter hinein ins Gebirge", schlug Cavus vor. ,,Dort
werden sie uns nicht finden - jedenfalls nicht innerhalb der nächsten
Tage."
Kamee versuchte, sich vorzustellen, wie lange sie es unter diesen
Umständen aushalten würde
- mit primitiven Hilfsmitteln im Gebirge zu überleben und auf
das rettende Schiff zu warten. „Können wir nicht
versuchen, unser Schiff zu erreichen?" fragte Kamee, die sich
nach sauberer Kleidung und einem halbstündigen Duschbad sehnte.
Cavus schüttelte den Kopf.
Ausgeschlossen", widersprach er. „Genau da werden sie
auf uns warten. Sie wissen immer sehr genau, wo einer von uns steckt
- nur im Gebirge, da haben sie Schwierigkeiten."
,so dann in die Berge", sagte Reginald Bull. Er warf einen
Blick auf die Landschaft ringsum. ,,Es wird viel Spaß machen."
Cavus führte den Trupp an. Der Weg wurde fast noch
unheimlicher als in der Nacht. Kamee hatte sehr viel Mühe,
aufkommende Schwindelgefühle niederzukämpfen - fast immer
fehlte
nur ein Schritt, um sie ins Leere stürzen zu lassen, und an
den meisten Stellen ging es hundert Meter und mehr in die Tiefe.
Vorsichtshalber sah Kamee nicht hinab. Sie sah den Fels an, an dem
sie sich festhielt, und setzte einen Fuß vor den anderen. Cavus
gab sich Mühe, die Geschwindigkeit seinen Gefährten
anzupassen. Es war aber deutlich zu erkennen, daß die Terraner
von Shakootee sich in diesem Gelände erheblich besser
auskannten. Sie bewegten sich ruhiger und unverkrampfter.
Nach einer halben Stunde eifrigen Kletterns war das Tal außer
Sichtweite. Nur eine dünne Säule schwarzen Rauches deutete
an, daß es dort einmal eine menschliche Siedlung gegeben hatte.
,,Was werden die Shakootees mit euren Freunden gemacht haben?"
fragte Kamee ihren Verwandten. Cavus machte
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