PR TB 222 Die Andere Welt
»Reg, Ras-83
und ich haben beschlossen, mit der MAOLA noch in dieser Nacht die
Insel zu verlassen. Das bißchen Wind stört uns nicht. Wir
mochten uns das Schauspiel nicht entgehen lassen.«
»Haltet euch weit genug vom Riff entfernt, mindestens ein
oder zwei Kilometer«, warnte Rhodan.
»Keine Sorge«, beruhigte ihn Terry und stand auf. »Was
bringen wir dem Häuptling als Abschiedsgeschenk mit?«
»Wird sich schon was finden«, knurrte Ras-83 und sah
hinüber zur Jacht. »Außerdem hat ihm der Himmel das
Schiff von Miller geschenkt.«
Kiola verbarg seine Überraschung nicht, als die fünf
Männer kamen, um sich für den Aufenthalt zu bedanken und
sich gleichzeitig zu verabschieden. Er sagte einige Worte in der
einheimischen Sprache zu Laumesi, der sofort davoneilte.
»Ein kleines Fest«, erklärte Kiola, »gehört
zu jedem Abschied.«
Sie wollten Einwände machen und erklären, daß sie
noch vor Einbruch der Dunkelheit aufbrechen möchten, aber der
Häuptling winkte ab.
»Es dauert nicht lange«, sagte er. »Wir wären
traurig, wenn ihr fortgingt, ohne die Mädchen tanzen gesehen zu
haben.«
Eine alte Holztrommel, ein Muschelhorn und eine selbstgebastelte
Gitarre waren die Instrumente von drei kraushaarigen Burschen. Im
weichen Rhythmus der schwermütig klingenden Musik wiegten sich
sechs junge Schönheiten der Insel, mit Blumenkränzen
geschmückt, auf dem Dorfplatz, darunter auch Selai, die Tochter
Kiolas. Sie fungierte als Vortänzerin.
Der zweite Tanz war schon feuriger, und zum Schluß näherten
sich die Mädchen den fünf Männern und streiften ihnen
die Blütenkränze über die Köpfe. Ein rasender
Trommelwirbel, bei dem jeder Schlagzeuger vor Neid erblaßt
wäre, beendete die Zeremonie.
Auf dem Weg zurück zur Hütte schwiegen sie. Jeder schien
mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt zu sein. Zum erstenmal
an diesem Tag kam die Sonne durch die Wolken. Sie stand dicht über
dem Horizont.
Ras-83 ruderte zur MAOLA und durchstöberte die Vorratskammer.
Beladen mit Konserven und einer guten Flasche kehrte er zurück.
»Kiola hat recht«, sagte er. »Auch ein Abschied
muß gefeiert werden.«
Sie sprachen nicht mehr viel an diesem letzten Abend. Der Zufall
und ein nahezu unbegreifliches »Natur«-Ereignis hatte sie
zusammengeführt und würde sie nun bald auch - hoffentlich -
wieder trennen.
Für immer!
Terry, Reg und Ras-83 brachen zuerst auf. Sie wollten noch vor der
Dunkelheit die Lücke im Inselriff durchfahren. Noch immer
donnerte draußen die Brandung gegen die Felsen, aber die Dünung
schien schwächer geworden zu sein. Die Flut begann abzulaufen,
der Wasserstand in der Lagune sank langsam, aber ständig.
Rhodan und Ras standen am Ufer, als Terry und Ras-83 die beiden
Anker einholten. Reg ließ den Motor an, das Schiff reagierte
sofort auf das Ruder und schwenkte herum, um Kurs auf die
Lagunenausfahrt zu nehmen.
»Wir haben noch Zeit«, sagte Ras und warf einen Blick
auf seine Uhr. »Die Station zerstört sich erst in knapp
fünf Stunden. Gehen wir vor zum Kap.«
Die Spitze der Landzunge lag nach Osten, südlich der engen
Durchfahrt. Ihr höchster Punkt war mit einigen Palmen bewachsen,
dazwischen wucherte dorniges Gestrüpp mit farbenprächtigen
Blüten. Zwanzig Meter tiefer rollte die Dünung gegen die
Steilküste.
Die MAOLA fuhr ohne Segel in nordöstlicher Richtung, und als
sie etwa zwei Kilometer nördlich des Teufelsriffs war, warf sie
Anker.
»Das dürfte weit genug sein«, vermutete Ras.
»Wenn der Anker zwischen den Krallenstöcken einmal Halt
gefunden hat, kann selbst die stärkste Strömung dem Schiff
nichts mehr anhaben.«
Die Sonne war untergegangen, und es wurde schnell dämmerig,
dann dunkel. Hinter den Bullaugen der MAOLA wurde es hell. Das Licht
auf der Mastspitze flammte auf, dann wurden noch die Positionslampen
gesetzt.
»Hier doch wohl überflüssig«, sagte Rhodan.
Immer mehr verschwamm die Grenze zwischen Wasser und Himmel, bis
es keinen Horizont mehr gab. Sterne waren keine zu sehen. Es würde
eine finstere Nacht werden.
Rhodan wandte sich ab.
»Bring uns in die F-2020«, bat er Ras.
Mit steigender Unruhe betrachtete Miller die im Nordosten
aufziehende Wolkenwand. Sie wurde immer dunkler und kam unaufhaltsam
näher, auch wenn der Wind aus Westen wehte und die Dünung
höher gehen ließ. Erste Schaumkronen kündigten Sturm
an.
Hacker ließ die Ruder sinken.
»Ich bin doch nicht verrückt, gegen den Wind zu
schuften«, sagte er. »Wenn wir uns treiben
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