PR TB 223 Der Waffenhandler
Tiefe gerissen hätte. Er ließ sich
auf die Knie fallen und hielt sich an der Fahnenstange eisern fest.
Auf den Sims hinauszutreten, ist Wahnsinn! fuhr es ihm durch den
Kopf.
Der Vorsprung, der um das ganze Haus lief, war nur etwa vierzig
Zentimeter breit. Darüber befand sich eine Glaswand, die so
glatt war, daß er daran keinen Halt finden konnte.
Wie sollte er sich auf einem so schmalen Sims mit einem anderen
Mann auseinandersetzen?
Wir werden beide in die Tiefe stürzen!
Als Kennon an diesem Morgen das Hotel verließ, fühlte
er sich matt und zerschlagen. Er hatte während der Nacht keine
Ruhe gefunden. Pausenlos hatte er daran gedacht, daß Tekener
kämpfen würde, und er hatte nach einem Weg gesucht, ihm zu
helfen.
Mit einem Gleiter flog er zum Marcul-Hochhaus, das der Freund ihm
in der Nachricht bezeichnet hatte. Er wollte den Kampf zumindest
sehen. Vielleicht, so hoffte er, ergab sich dabei doch eine
Möglichkeit, einzugreifen und das Schlimmste zu verhüten.
Schon von weitem sah er die schwebenden Kameras, als er sich dem
Hochhaus näherte.
Irgend etwas verkrampfte sich in ihm. Während er sonst vor
einer schweren Aufgabe, die er oder Tekener lösen mußten,
immer ruhig und zuversichtlich war, hatte er nun ein ungutes Gefühl.
Am liebsten wäre er zu dem Freund geflogen, um ihn vom Kampf
abzuhalten.
Es ist viel zu windig, dachte er. Schon bei Windstille wäre
es schwierig, sich auf dem Sims zu halten. Jetzt ist es unmöglich.
Und darauf auch noch zu kämpfen, grenzt an Selbstmord.
Ronald Tekener schob sich um die Ecke der Nische und trat auf den
Sims hinaus. Er drückte sich mit dem Rücken gegen die
Glaswand und ging langsam und vorsichtig daran entlang.
Er wollte auf die Seite des Hochhauses kommen, die im Windschatten
lag. Nur dort war ein Kampf möglich.
Der Wind zerrte an ihm, und als Tekener an eine senkrecht
abfallende Leichtmetallschiene kam, hielt er sich daran fest.
Er blickte nach unten, und plötzlich hatte er das Gefühl,
von der Tiefe magisch angezogen zu werden.
Sein Herzschlag beschleunigte sich, und die Knie wurden ihm weich.
Kehre um! mahnte eine Stimme in ihm. Noch ist es nicht zu spät.
Dies ist Wahnsinn.
Er öffnete die Augen wieder und blickte an der Hauswand
entlang.
Lauerte sein Gegner hinter der Ecke? Wartete er darauf, daß
er versuchte, auf die Leeseite des Hauses zu kommen, um ihn in den
Abgrund zu stoßen, sobald er sich zeigte?
Tekener bemerkte, daß unmittelbar hinter ihm zwei junge
Frauen standen und ihn beobachteten. Sie waren nur durch das dünne
Glas von ihm getrennt.
Wenn sie doch die Möglichkeit gehabt hätten, ein Fenster
für ihn zu öffnen und ihn hereinzulassen!
Er schob sich weiter auf dem Sims voran, um die Ecke des Gebäudes
schneller zu erreichen. Von Schritt zu Schritt wurde er sicherer, da
der Wind plötzlich abflaute. Doch dann peitschte eine Bö an
der Glasfront entlang. Sie packte ihn und warf ihn um.
Verzweifelt klammerte Tekener seine Hände an den Sims. Er
rutschte seitlich von ihm herunter und drohte abzustürzen. Seine
Beine pendelten unter der Wucht des Windes hin und her, und es
dauerte endlose Minuten, bis es ihm endlich wieder gelang, sich auf
das schmale Band zu wälzen, welches das Haus umlief.
Er blieb auf dem Bauch liegen, um zu warten, bis der Wind erneut
abflaute. Als jedoch eine Bö nach der anderen kam, schob er sich
bäuchlings bis zur Ecke voran.
Da es ihm unmöglich erschien, auf dem Bauch kriechend um die
Ecke zu kommen, erhob er sich vorsichtig, lehnte sich mit dem Rucken
an die Wand und glitt dann zentimeterweise über den Sims.
Er sah, daß eine weißgekleidete Gestalt etwa dreißig
Meter von ihm entfernt stand und erkannte, daß er sich um
seinen Gegner zunächst noch nicht zu kümmern brauchte.
Erst als er sich einige Meter von der Ecke entfernt hatte, wurde
es ruhiger, und er spürte den Wind nicht mehr so stark wie
zuvor.
Er wandte sich dem Mann zu, den er töten mußte, wenn er
selbst überleben wollte.
Seine Augen weiteten sich, und überrascht hielt er den Atem
an.
Der andere war Bou Doun.
Der rothaarige Mann, der ihm im Park das Leben gerettet hatte, war
nicht weniger erstaunt als er. Das Blut wich aus seinem Gesicht.
Seine Lippen bewegten sich, aber er brachte kein Wort heraus.
Auch Tekener schnürte es die Kehle zu.
Gegen diesen Mann konnte er nicht kämpfen. Er konnte und
wollte nicht jemanden töten, der ihm das Leben gerettet hatte.
Etwa zwei Meter vor Bou Doun lag eine Metallschiene auf
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