PR TB 227 Wolken Des Todes
gesüßt
hatte. Ich zeigte mit dem Stift auf eine Stelle östlich von
Luxor.
„Hier liegt das getarnte Grabmal. Ein weiter Weg, von Tanis
im Delta bis dorthin. Fangen wir an, Freunde."
Der Schreiber schien begierig zu sein, jeden Wunsch von uns
sogleich in Befehle umzusetzen. Ocir-Khenso hatte einen Teil der
Logistik bereits durchgerechnet, grüßte den kleinen Mann
mit dem Pinsel, dem Tuschenapf und den kleinen Papyrusblättern.
Dann sagte er:
„Wir brauchen hundert oder mehr tüchtige Arbeiter, die
östlich von Luxor auf uns warten müssen. Sorge dafür,
daß sie Werkzeuge haben, Balken, Stricke und Grabgerät.
Auch genug zu essen und zu trinken."
Mit verblüffender Geschwindigkeit notierte der Schreiber den
Text und gab ihn an einen Boten weiter. Der Mann verbeugte sich und
rannte aus dem Raum.
„Wir müssen so schnell wie möglich dorthin",
sagte ich. „Der Pharao soll eine kleine Truppe organisieren.
Sie muß uns freien Weg schaffen. Wieviel Tage rechnet man für
die Fahrt nach Theben?"
„Neun Tage, wenn immer wieder die Gespanne gewechselt
werden", sagte der Schreiber. „Es werden von Soldaten die
Wagen und die besten Pferde für euch bereitgestellt. Wann brecht
ihr auf ?"
„Morgen, beim ersten Sonnenstrahl", sagte Charis. „Mit
viel Ausrüstung!"
Wieder rannten zwei Boten hinaus, zusammengerollte Papyri in den
Händen. Der Schreiber erklärte eifrig:
„Morgen, am Ende der Nacht, steht die Eskorte bereit. Und
die schnellsten Zugpferde für euch. Die Straßen sind
sicher."
„Gut. Wir werden fertig sein. Gibt es Unruhen in Tanis oder
anderen Städten?"
„Die Menschen versammeln sich vor den Tempeln. Aber auf
keine Frage gibt es Antworten. Noch aber ist keine Gewalt
ausgebrochen."
Die hektische Betriebsamkeit lenkte uns und auch die wenigen
Ägypter um uns herum ein wenig ab. Immer noch lag das Abbild der
grauenhaften Wahrheit auf der Tischplatte. Ich richtete das Wort an
den Schreiber und musterte ihn genau.
„Sage deinem Herrn, daß er schnelle Boten nach Assur
senden soll. Dort herrscht eine andere Wolke. Die Boten sollen
unseren Weg vorbereiten und uns das Wohlwollen des Herrschers
sichern."
„In wenigen Stunden wird der Pharao hören, was ich zu
berichten habe", versprach er mit knapper
Selbstverständlichkeit. „Ihr bekommt alles, was ihr
braucht. Erlaubst du eine Frage, Atlan-Anhetes?"
„Gern. Du wirst wissen wollen, warum nur wir die Wolke -
wahrscheinlich! -besiegen können?"
„Nichts anderes wollte ich fragen."
„Warte, bis du siehst, was wir tun. Unser Herrscher aus
einem anderen, weit entfernten Land dieser Welt ist auf andere Weise
mächtig wie dein Pharao. Er besitzt nur ein kleines Land, kennt
aber andere Dinge als du und ich."
Der Schreiber nahm diese Auskunft mit einigem Mißmut auf,
aber er fragte nicht weiter. Ohne Anstrengung stand er aus seiner
Sitzhaltung auf und verschloß den Tuschenapf. Er wandte sich an
Ptah-Sokar.
„Ich weiß nicht, ob ich euch begleiten werde. Si'amun
bestimmt alles. Sind dies alle eure Wünsche?"
„Wir denken, daß wir fürs erste nicht mehr
verlangen müssen."
Als wir dem Gespann des Schreibers nachblickten, irrten unsere
Augen unwillkürlich in die Richtung der Wolke ab. Über dem
weiten, flachen Land des riesigen Deltas, scheinbar am südlichen
Horizont, zeichnete sich ein dunkelbrauner Wolkenstreifen ab. An
seiner Obergrenze flirrte der Sonnenschein. An einigen Stellen
tauchten fadendünne Windhosen schräg abwärts und
schaukelten wie Schläuche hin und her. Eine Wolkenbank, die wie
eine brechende Brandungswoge aussah, zeigte uns, daß sich aus
dem Westen der Wüste ein Sandsturm näherte. In zehn Tagen
würden wir das Zentrum der Wolke erreicht haben.
„Es wird ernst!" sagte Ocir knapp. Ptah lehnte sich an
die heiße, gekalkte Lehmmauer des Hauses und konnte seinen
Blick nicht von der Wolke lösen. Von hier aus wirkte sie kaum
gefährlich; wir wußten, daß sie die erste von elf
Wolken war, die wir mit noch unbekannten Mitteln zu bekämpfen
hatten.
„Vor dem Morgengrauen ist es mit der Ruhe vorbei", warf
ich ein. „Es wäre nach so viel Aufwand unhöflich, die
Gardisten des Pharaos warten zu lassen. Packen wir."
„Wir tun noch immer, als ginge es nicht um Leben oder Tod
für zahllose Menschen", wunderte sich Charis. Ich
schüttelte den Kopf und spürte tief in meinem Innern zum
erstenmal wieder verschiedene Formen der Angst. Wieder einmal hatte
mich ES aus dem langen Schlaf gerissen und in die Mitte der
Ereignisse
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