PR TB 230 Die Träumer Von Naphoora
Unterton irritierte Akhisar. Ging das allgemeine
Zanken, das er von seiner Familie zur Genüge kannte, hier
weiter?
„Habe ich das?"
Gfads Gegenfrage klang nicht nach Ablehnung, nur Neugierde, und
dieser Tonfall irritierte Akhisar noch mehr.
„Du warst heute sehr streng mit mir, hast immer wieder
unaufgefordert Verbesserungsvorschläge gemacht", sagte der
Mann ruhig. „Ich hatte den Eindruck, als würdest du an
einem wichtigen Problem herumknabbern."
Gfad zögerte einen Augenblick lang, dann nickte er langsam.
„Deine Beobachtung trifft zu, Urth", sagte Gfad ruhig.
„Ich habe mich gefragt, ob wir hier noch länger sicher
sind. Vielleicht sollten wir noch tiefer in den Dschungel
hineinziehen. Ärgern wollte ich dich nicht."
„Das habe ich mir gedacht", sagte Urth gelassen. „Daher
meine Frage. Wollen wir über deinen Vorschlag reden?"
Gfad und Urth sahen kurz in die Runde. Die meisten Gesichter
zeigten deutliche Müdigkeit, nur wenige bewiesen Interesse.
„Ich schlage vor, wir besprechen die Sache morgen beim
Essen", äußerte sich Gfad. „Wir sollten
schlafen. Der Tag morgen wird anstrengend."
Die Runde löste sich auf. Akhisar war wieder verlegen, weil
er nicht wußte, wie er sich zu verhalten hatte.
„Du kannst dort drüben schlafen", sagte Maathen.
„Ich werde dir eine Decke verschaffen."
Die Betten waren sehr einfach, bestanden aus grasgefüllten
Säcken. Der Geruch des trockenen Grases war stark, und das
stetige leise Rascheln und Knistern irritierte Akhisar ein wenig.
Er streckte sich auf dem Lager aus. Maathen reichte ihm eine
grobgewirkte Decke und suchte sich neben Akhisar einen Schlafplatz.
Leises Schnarchen zeigte an, daß einige schon schliefen.
Gfad löschte das Licht.
Als es dunkel war, spürte Akhisar, wie Maathen ein wenig an
ihn heranrutschte.
„Habe ich mich eigentlich schon bei dir bedankt?"
fragte sie sehr leise.
„Ich glaube schon", sagte Akhisar.
„Um so besser", murmelte Maathen mit schlaftrunkener
Stimme. Sie glitt näher, schmiegte sich an Akhisar - und war ein
paar Augenblicke später eingeschlafen.
Fast verdutzt nahm Akhisar den warmen atmenden Körper neben
sich wahr. Er unterdrückte ein halblautes Lachen.
Wahrhaftig, er würde noch viel lernen müssen.
Mit diesem Gedanken schlief er ein.
4.
Er hatte das Gefühl, kaum eine Stunde geschlafen zu haben,
als er von heftigen Bewegungen geweckt wurde. Noch halb im Traum
versunken blinzelte er.
Akhisar war sicher, daß er träumte. Die hölzerne
Decke, die seltsamen Gerüche, die Menschen ... Dann erinnerte er
sich, und jäh packte ihn der Schrecken. Akhisar richtete sich
ruckartig auf.
„Guten Morgen", grüßte das Mädchen
fröhlich. Erst beim zweiten Hinsehen erkannte Akhisar Maathen.
Er rieb sich die Augen.
„Wie spät ist es?" fragte er mit matter Stimme.
„Kurz nach Sonnenaufgang", sagte Maathen und entfernte
sich.
Die müssen verrückt sein, dachte Akhisar. Um diese Zeit
steht doch kein normaler Helagh auf. Das Lärmen um ihn herum
bewirkte das Gegenteil. Vor allem die Kinder waren offenbar froh,
herumtoben zu dürfen, und jagten sich gegenseitig durch die
Räume des Nestes.
Akhisar wusch sich an einem Bottich mit entsetzlich kaltem Wasser,
dann zog er sich an. Jetzt erst fand er Gelegenheit, sich seine neue
Behausung einmal näher anzusehen.
Die Basuran hatten die recht geräumige Hütte in den
Boden hinein gebaut. Der Waldboden und die Decke des Nestes waren
eins. Wer nicht genau wußte, wo er diese Unterkunft zu suchen
hatte, konnte lange danach Ausschau halten - aus der Decke wuchsen
sogar Bäume in den morgenfrischen Himmel.
Im Innern traf sich die ganze Gruppe zum Frühstück.
Akhisar betrachtete mißmutig das, was man ihm in einem
hölzernen Napf anbot - grob zerstoßenes Getreide, das über
Nacht in Wasser gequollen war, dazu Nüsse und Beeren, ein wenig
Honig zum Süßen. Eine Probe überzeugte ihn dann
davon, daß man derlei nicht nur essen konnte, daß es
vielmehr sogar schmeckte.
Akhisar aß langsam - die groben Körner ließen ihm
ohnehin keine andere Wahl - und betrachtete die Gruppe. Er würde
ein paar Tage brauchen, bis er jeden einzelnen kannte.
Es waren fast fünfzig Personen, Männer, Frauen und
Kinder. Die meisten trugen grobe selbstgewebte Stoffe und hölzerne
Schuhe; sie sahen daher sehr ärmlich aus, wenn man die Gesichter
außer Betracht ließ, die eine gänzlich andere
Sprache redeten.
Unwillkürlich erinnerte sich Akhisar. Oft, wenn er unterwegs
gewesen war in
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