PR TB 233 Die Insel Der Verbannten
Bequemlichkeit
mitgenommen, zuzutrauen war ihm das schon.
Auch der Erste Offizier machte sich so seine Gedanken, wenn er
Aloisius irgendwo im Schiff begegnete. Der Androide befleißigte
sich stets einer ausgesuchten Höflichkeit und wirkte fast devot,
was seiner entsprechenden Programmierung zugeschrieben wurde.
Lediglich einmal fiel er aus der Rolle.
Antriebsingenieur Rodensky, sechzig Jahre alt und damit ein
erfahrener Mann mit vierzigjähriger Raumfahrtpraxis, war gerade
dabei, die Antigravprojektoren auf Deck 3 routinemäßig zu
überprüfen, als Aloisius hereinspaziert kam. Wie üblich
trug er seine schwarze Melone auf dem Kopf und bewegte sich so steif,
als habe er einen Stock verschluckt.
Eine Weile stand er ganz ruhig und stumm in der Mitte des Raumes
und sah Rodensky interessiert zu, der nun allmählich nervös
zu werden begann. Bereits zweimal hatte er auf den falschen Knopf
gedrückt und beinahe einen Fehlalarm ausgelöst.
Endlich verlor er die Geduld. Er wandte sich um.
“Ist was?" fragte er den Androiden, und in seiner
Stimme schwang der Ärger mit. “Was stehst du da so herum?"
“Das Problem der künstlichen Schwerelosigkeit hat schon
immer mein Interesse geweckt, Sir", erwiderte Aloisius höflich,
wie gewohnt. “Wenn es Ihre Zeit erlaubt, wäre ich Ihnen
außerordentlich verbunden, wenn Sie die Güte besäßen,
mir ein paar bescheidene Fragen zu beantworten. Die erste wäre:
wie funktioniert das da überhaupt." Er deutete auf die
Reihe der Projektoren. “Ich meine diese Metallwürste
dort."
Noch beherrschte sich Rodensky.
“Das sind keine Würste, sondern Projektoren. Und es
wäre völlig sinnlos, dir ihre Funktionen erklären zu
wollen, wenn du nicht darauf programmiert wurdest. Du kannst
vielleicht Guckys Uniform ausbürsten oder ihm Getränke aus
der Kantine holen, aber ich gebe dir doch den Rat, von hier zu
verschwinden. Meine Zeit erlaubt es mir nicht, dir technischen
Unterricht zu erteilen."
“Eine rüde Antwort auf eine höflich gestellte
Frage...", begann Aloisius, wurde aber sofort unterbrochen:
“Wenn du nicht sofort verschwindest und mich in Ruhe läßt,
dann passiert was. Mal sehen, wie dich Doc Shariman zusammenflickt."
“Falls Sie damit andeuten wollen, Sir, daß Sie die
unglaubliche Absicht im Herzen tragen, meinem Mechanismus Schaden
zuzufügen, so muß ich Sie darauf aufmerksam machen..."
Abermals wurde er unterbrochen:
“Raus, aber sofort! Und laß dich hier nicht mehr
blicken!"
Aloisius ging bis zur Tür, die automatisch zur Seite glitt.
Dort drehte er sich um und blickte den Techniker an, der zu seiner
Verwunderung feststellen mußte, daß ihm aus dem Gesicht
des Androiden unverhüllter Haß entgegenströmte.
“Ich gehe lieber, alter Knabe, ehe ich dir das Genick
breche. Dein Wissen über die Metallwürste kannst du ruhig
für dich behalten. So dumm wie du bin ich schon lange."
Dann war er verschwunden.
Rodensky blieb noch einige Sekunden wie angenagelt auf seinem
Platz stehen, ehe er sich kopfschüttelnd wieder an die Arbeit
machte.
Für ihn lag die Vermutung nahe, daß gelegentliche
Fehlschaltungen das wechselhafte Benehmen des Androiden bestimmten.
Er beschloß, mit den anderen darüber zu sprechen,
besonders mit dem Ersten, der Gucky schon einmal gebeten hatte, dafür
zu sorgen, daß sein Aloisius nicht öfter als unbedingt
notwendig die Kabine verlassen sollte.
Er hatte gerade seine Arbeit beendet, als die CHALLENGER zur
zweiten Linearetappe ansetzte, diesmal zu einem größeren
Sprung.
Auf einem seiner seltenen Rundgänge geriet Captain Hennessy
auch in das Observatorium. Neben dem Teleskop stand Professor
Bergström und blickte durch die Kuppelrundung hinaus in das
Gewimmel der Sterne. Obwohl er Hennessys Eintritt bemerkt hatte,
drehte er sich nicht um.
“Schöner Anblick, nicht wahr?" sagte der Captain
und blieb neben ihm stehen. “Ich genieße es immer
wieder."
“Mir ergeht es ebenso", gab Bergström zurück
und fügte nachdenklich hinzu: “Wir kennen nur einen
winzigen Bruchteil dessen, was wir jetzt sehen. Nicht einmal
Generationen werden ausreichen, alles zu erforschen, auch wenn es
technisch betrachtet in unserer Reichweite liegt." “So ist
es, Professor. Aber auch wir werden dazu beitragen, daß ein
weiterer weißer Fleck von der Sternenkarte verschwindet,
nämlich der Sektor AK-78-CB."
Diese Bemerkung kam Bergström sehr gelegen, denn sie bot
einen unauffälligen Ansatzpunkt für seine Fragen.
“Was werden wir dort vorfinden?"
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