PR TB 236 Die Stadt Der Zukunft
Zimmer auf dem Kopf?« Gulf packte
den Fladenleib des Matten-Willys. »Ich dachte«, fuhr er
wütend fort, »dies ist ein Urlaub, Hassewass. Gott, hätte
ich nur nicht auf dich gehört und wäre im
Antigrav-Apartment geblieben! Immer noch besser, den Tod bei einem
Lufthausabsturz zu finden, als in den Klauen einer außerirdischen
Mordpflanze zu verrecken.«
»Ich weiß nicht«, antwortete der Matten-Willy
kläglich.
Er bohrte seine Stummelbeine in den spiegelglatten Boden und
stöhnte unter Gulfs Gewicht.
»Die ganze Stadt ist verschwunden. Das hier ist das einzige
Gebäude, das noch steht. Und MAMMA muß irgend etwas
zugestoßen sein. Außerdem gibt es nirgendwo eine Spur von
den achttausend anderen Testbewohnern.« Hassewass erbebte
leise. »Ich fürchte, Mashmir, die Konstrukteure der
Adamasischen Metropole haben einen Fehler gemacht.«
Sie erreichten die Mitte des leeren Zimmers. Über ihren
Köpfen gähnte das Loch in der Decke, durch das Hassewass in
das Apartment eingedrungen war.
Ein weibliches Gesicht erschien in der Öffnung.
»Alles in Ordnung?« fragte die Frau. »Geht es
Ihnen gut, Mashmir?«
Es war Ziana van Dali, die Aktionskünstlerin, der Gulf
gestern auf dem Korridor begegnet war.
Sofern, dachte Gulf sarkastisch, man Frühstück im
Abendlicht des Jupiter noch als Korridor bezeichnen kann.
»Es geht mir schlecht«, sagte er mürrisch. »Ich
bin gerade dem Attentatsversuch eines arkonidischen Killergemüses
mit knapper Not entkommen, werde dauernd von einem herumstreunenden
Unkraut heimgesucht, und meine Befristete Ehefrau will mich
verlassen. Glauben Sie, daß es Ihnen unter diesen Umständen
gutgehen würde?«
Van Dali schnitt eine Grimasse.
»Dann ist es wohl Ihre Frau gewesen, die diese
Schlingpflanzen in die Stadt eingeschleppt hat.«
»Schlingpflanzen?« echote Gulf, und er dachte an den
Sack mit den
Samen.
»Ja, Schlingpflanzen.« Die Künstlerin warf einen
Strick nach unten. Er bestand aus zusammengeknoteten Ledergürteln.
Echte Gürtel - keine Bioimitate der Adamasischen Metropole.
»Diese Schlingpflanzen sind schätzungsweise vierzig Meter
lang und armdick. Ihre Frau haben sie schon erwischt.«
»Gott«, seufzte Gulf, »daß ich das noch
erleben durfte.«
Er packte den improvisierten Strick und zog sich keuchend nach
oben. Ziana reichte ihm die Hand und zerrte ihn durch das Loch in der
Decke. Dann folgte der Matten-Willy.
Gulf sah sich um.
Das ganze Stockwerk war durchlöchert wie ein Schweizer Käse.
Breite Risse und große Öffnungen gähnten in den
Wänden. Stellenweise war die Decke eingesackt und hatte sich wie
ein erschlafftes Zeltdach über den Boden ausgebreitet. Die Wände
waren geschmolzen; Spinnweben gleich zogen sich ihre Überreste
durch die gesamte Etage. Durch die Löcher in der Fassade
schimmerte Sternenlicht. Sonst war alles finster.
Finster und still.
Gulf räusperte sich.
»Was ist passiert?« fragte er die Aktionskünstlerin.
Ziana zuckte die Schultern. »Irgend etwas ist mit der Stadt
geschehen. Die ganze Insel ist eine einzige graue Wüste. Und
fast alle Testbewohner sind fort. Ihre Häuser sind verschwunden.
MAMMA meldet sich nicht mehr, und Frühstück im Abendlicht
des Jupiter ist der Nachwelt für immer verloren.« Sie
seufzte. »Kurz und gut, eine Katastrophe.«
»Zumindest nicht für die Nachwelt«, sagte Gulf.
Die Aktionskünstlerin sah ihn argwöhnisch an. »Wie
meinen Sie das?«
»Lassen wir das. Es gibt wichtigere Dinge. Zum Beispiel die
Frage: Was nun?«
Der Matten-Willy schob sich an seine Seite. Schuldbewußt
verknotete Hassewass seine Stielaugen.
»Ich befürchte«, murmelte er kläglich, »daß
ich die Schuld an diesem Unglück trage. Ich habe MAMMA die
Grundzüge meines philosophischen Werks Vom Sein zum Werden
erläutert und in meiner Begeisterung, endlich einen
verständnisvollen Zuhörer gefunden zu haben, ganz
vergessen, daß MAMMA eine Biopositronik ist.«
»Ja, und?« knurrte Gulf.
»Ich muß gestehen, daß ich nicht freiwillig
Urlaub auf der Erde mache.« Hassewass' weißer
Protoplasmaleib verfärbte sich gelb vor Verlegenheit. »Auf
der Hundertsonnenwelt hält man meine Seinswerdungsphilosophie
für eine Gefahr für die Gesundheit des Zentralplasmas.
Viele der von mir betreuten Zellkolonien verweigerten später
ihre Verzahnung mit einem positronischen Element und beriefen sich
dabei auf meine Lehren.
Sie wissen schon, Mashmir, das Sein ist durch die ihm gegebene
Eigenschaft des Werdens von einem raumzeitlosen
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