PR TB 242 Herr Der Hundert Schlachten
brachen die Türen der
Häuser auf.
Mehr als sechzigtausend Männer rannten durch die Gassen und
die Parkanlagen, stolperten über die gewundenen Kieswege der
Gärten und durchs Wasser der flachen Zierteiche. Sie liefen
durch die breiten Prunkstraßen, wandten sich in rasender Gier
nach rechts und links und suchten sich besonders prächtige
Häuser aus.
Das helle Klirren von Glas ertönte. Dann wieder kreischende
Entsetzensschreie - bis hierher! Charis und ich starrten uns wortlos
an.
»Wieder einmal nichts anderes als Mord, Raub, Blut und Tod!«
flüsterte sie entsetzt.
»Wir wußten es. Und was noch schauerlicher ist - wir
können nichts tun. Alexander würde uns kreuzigen lassen.«
»Und gegen sechzigtausend halb verrückte Plünderer
haben wir keine Chance, trotz der Ausrüstung«, brummte
Atalido finster.
»Suchen wir uns einen Lagerplatz und einen Stall für
die Tiere!«
Mein Gleiter war unter einem Steinhaufen, halb in einer Höhle,
gut versteckt. Wir wandten uns in die Richtung auf den Stadtrand zu,
wo wir schließlich fanden, was wir suchten. Der orgienhafte
Vorgang der Plünderei hatte mittlerweile die gesamte Stadt
erfaßt, abgesehen von den zentralen Palästen. Dort würden
die Makedonen das königliche Lager Alexanders aufschlagen. Eine
Gruppe Makedonen, in deren Kleidung goldene Pokale klapperten, zerrte
mit Seilen eine Marmorstatue von ihrem Sockel. Mit Beilen und
Schwertern schlugen andere Männer auf das Kunstwerk aus
geädertem Stein ein. Ein persischer Wächter taumelte
blutüberströmt zwischen den Zierbüschen hervor und
brach zusammen. Wieder krachte das Holz eingetretener oder
aufgebrochener Tore und Türen.
»Sie töten, obwohl Alexander.«, begann Chyrill,
aber ich winkte ab.
»Raserei entwickelt eigene Gesetzmäßigkeiten. Sie
hören nicht eher auf, als bis alle betrunken sind. Irgendwann in
der Nacht.«
Wir ritten in eine viereckige Anlage herein. Hier hatten die
Makedonen zufällig noch keinen Eingang gefunden. Sofort
verteilten wir uns, schlugen in Sichtweite der Tore die Zelte auf und
entfalteten eine hektische
Betriebsamkeit. Charis lief ins Haus und versuchte die Perser zu
beruhigen. Als eine etwa zehnköpfige Gruppe halbbetrunkener
Makedonen erschien, warfen wir sie aus dem Park und brüllten sie
an, sie sollten nicht in unserem Revier plündern. Schimpfend
zogen sie ab. Die persische Familie mit allen ihren Dienern und
Sklaven verlor ihre Furcht nur sehr langsam, aber sie sahen ein, daß
wir weder plündern noch brandschatzen oder schänden würden.
Meine Unruhe wuchs im gleichen Maß, wie der Lärm sich
vergrößerte. Zwei Stunden später hielt ich es nicht
mehr aus, schwang mich in den Sattel und nahm fünf Gefährten
mit.
»Versuchen wir, wenigstens mit unseren Möglichkeiten
das Schlimmste zu verhindern«, schlug Athyra vor. Er glaubte
selbst nicht daran.
Wir ritten entlang einer der breiten Straßen, die in
leichtem Schwung die Stadt durchschnitt.
Noch waren keine Brände ausgebrochen. Aber die Gier der
Sieger beherrschte Persepolis.
Überall wurden die Statuen des Xerxes und unbekannter Götter,
Würdenträger oder Fabelwesen umgestürzt.
Zerschmetterte Tonkrüge lagen auf den Wegen. Frauen, denen man
die Ketten vom Hals riß, flüchteten schreiend und weinend
aus den Häusern. Makedonen rannten an uns vorbei, schwer behängt
und bepackt mit Beute.
Sie verloren einzelne Stücke, blieben stehen, fluchten und
lachten, klaubten die Beute auf, rempelten ihre betrunkenen Kameraden
an und torkelten weiter. Hinter ihnen starrten Stadtbewohner blutend
und hohläugig her, Sklaven rannten kopflos hin und her. Wieder
krachte eine Statue zu Boden und zersprang klirrend auf den Platten.
Wir ritten in einer Reihe, ohne Schilde, aber bewaffnet und in
voller Rüstung, die glockenförmigen Helme im Nacken. Vor
uns schlugen griechische Söldner aufeinander ein und zerrten an
der Beute, an den Henkeln großer, prächtiger Krüge,
an Ketten und Geschmeide und ledernen Säcken voller Münzen.
Ein Berittener Kampfgefährte hing zwischen den Köpfen
zweier prächtiger Schecken mit vergoldetem Zaumzeug, die er
aufgeregt mit sich riß. Die Tiere scheuten, stiegen hoch und
rissen den Mann hin und her. Im Zickzack entfernte sich die Gruppe in
einem kurzen Galopp, während die Füße des Makedonen
immer wieder durch den Staub schleiften.
Die Beute, schien es, war in den Häusern geringer, als sie
Söldner es sich vorstellten.
Die Perser, die vor der Wut der Makedonen zu
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