PR TB 246 Expedition Ins Totenreich
Jahresauktion.
Heute abend. Im Pfandhaus der Leidenschaften.«
»Sie müssen verrückt sein, Rurrgronnom«,
erwiderte Sayla kalt. »Niemand erteilt mir Befehle.
Verschwinden Sie. Wenn Sie mich weiter belästigen, beschwere ich
mich bei der Stahlhand.«
»Sie werden kommen«, versicherte der Löwenmensch.
»Ich weiß es. Im Pfandhaus der Leidenschaften unterhalten
wir uns weiter. Über Las-Run. Sie verstehen?«
Sayla fuhr zusammen. Las-Run! »Was haben Sie mit.«,
begann sie, aber der Gurrad hatte sich schon abgewandt und war mit
katzenhafter Geschmeidigkeit im Gewimmel der Observatoriumsbesucher
verschwunden. Was hatte dieser verdammte Gurrad mit Las-Run zu tun?
War auch er von dem Akonen über den Bannspruch der Kosmischen
Auktion informiert worden und suchte er nun nach Verbündeten, um
trotz des Verbots der Auktionatoren Geschäfte mit Tayaner Bhan
zu machen? Wenn diese Vermutung stimmte, dann mußte Rurrgronnom
erst vor kurzem in YANINSCHA eingetroffen sein; nur Unwissenheit
konnte einen derart selbstmörderischen Plan entschuldigen.
Niemand verstieß gegen die Regeln
der Kosmischen Auktion. Und wer es dennoch tat, der endete in den
Gesetzlosen Zonen, im finsteren Reich der untersten Decks YANINSCHAS,
wo der Tod zum ständigen Begleiter der Verbannten gehörte;
und der Tod war nicht einmal das Schlimmste, das einem in der
Unterwelt zustoßen konnte. Es gab Gerüchte.
Nein, dachte Sayla und biß die Zähne zusammen. Nicht
daran denken. Kümmere dich jetzt um Hlochromir - und später
um Rurrgronnom.
Die SolAb-Agentin gab sich einen Ruck und drängte sich durch
die Menge zum Flimmerfeld, das sich wie eine Säule im Zentrum
des Observatoriums erhob, die Kuppeldecke durchstieß und
tausend Meter weit in den Weltraum hineinragte. Das Gasthaus zum
Weinenden Gott war eine münzgroße, rötlich getönte
Scheibe am schwarzen Himmel YANINSCHAS, umrahmt von einem Halo aus
Fixsternen und den wandernden Positionslichtern der orbitalen
Raumschiffe. Sayla blieb vor dem Flimmerfeld stehen, zog ihre
ID-Karte aus der Tasche und preßte sie gegen die glitzernde
Wand. Einen Moment später öffnete sich eine Strukturlücke.
Zwei Stahlhände flankierten in Kopfhöhe die Öffnung.
Ihre Zeigefinger waren ausgestreckt und auf Saylas Augen gerichtet.
»Die Losung«, verlangte eine der Stahlhände.
Sayla räusperte sich und trat einen Schritt vor. Hinter ihr
schloß sich das Flimmerfeld. Die stählernen Finger folgten
ihren Bewegungen mit computerhafter Präzision. Laserblitze
würden aus den Fingerkuppen schlagen und Saylas Augen
verbrennen, ihr Gehirn versengen, wenn sie nicht das richtige
Losungswort nannte. Das Gasthaus zum Weinenden Gott war kein Ort für
Jedermann. Wer dort Zutritt besaß, bewies allein durch die
Tatsache seiner Gegenwart, daß er zu der Prominenz YANINSCHAS
gehörte und einer von den VIPS war, deren Liste sich Tayaner
Bhan hatte ausdrucken lassen -nicht ahnend, daß die Kosmische
Auktion nicht nur fünftausend Solar kassierte, sondern den
Neugierigen ebenfalls auf eine Liste setzte; auf die
Überwachungsliste der Stahlhand.
»Die Losung«, wiederholte die andere Stahlhand.
»Der Gott weint«, sagte Sayla.
»Um wen?«
»Um den alten Admiral. Bis zur Wiederkehr.«
Die Finger krümmten sich, die diffuse Drohung, die von den
Mikrorobotern ausging, wich.
»Korrekt«, erklärte die rechte Stahlhand.
»Passieren.«
Sayla ging zwischen ihnen hindurch und betrat eine grünlackierte,
mehrere Zentimeter hohe Plattform. Ihr Gewicht löste einen
Kontakt aus. Sie begann in die Höhe zu schweben, zuerst langsam,
dann immer schneller werdend, höher und höher, umgeben von
dem Gefunkel der Nabelschnur, die Observatorium und Gasthaus
miteinander verband. Bald lag die transparente Kuppel des
Observatoriums unter ihr. Nur das Flimmerfeld schützte sie jetzt
vor dem eisigen Vakuum des Weltraums. Sie schloß die Augen und
wartete, bis sie die Bremskräfte auf ihren Körper einwirken
fühlte und ein Prickeln auf
der Haut spürte. Sie öffnete die Lider.
Und sah direkt in das Gesicht des Weinenden Gottes.
Das Gesicht war groß. Es war ein elfenbeinfarbenes Oval von
zwei Meter Breite und drei Meter Höhe. Schwarze Borsten
bedeckten die Stirn und die aufgeblähten Wangen. Das Gesicht
besaß keine Nase und einen nur winzigen Mund mit gelben,
runzligen Lippen. Es wurde durch die Augen geprägt; riesige
menschliche Augen mit blauen Pupillen und silbernen Augäpfeln.
Wie Perlen rannen Tränen aus den Augenwinkeln, versickerten
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