PR TB 246 Expedition Ins Totenreich
runzelte
die Stirn. Seltsam, dachte sie. Selbst wenn die Sensoren dieser
Stahlhand gestört sind - Troy müßte die Veränderung
trotzdem bemerken. Eine Modifizierung der Strahlungskomponenten
konnte nur die arkonidische Positronik vornehmen, die alle
technischen Einrichtungen YANINSCHAS steuerte. Entweder litt Sayla an
Halluzinationen - oder die künstliche Sonne wurde nicht mehr von
Troy kontrolliert, ohne daß der Computer dies bemerkte. Aber
selbstverständlich waren beide Möglichkeiten gleichermaßen
absurd.
»Es ist gut«, sagte sie zu der Stahlhand. »Ich
bin ein wenig abgespannt. Natürlich ist die Sonne gelb. Ich
brauche dich nicht mehr.«
Lautlos hob sich die Stahlhand von ihrer Schulter und verschwand
wieder im Glanz des Kristallwalds. Sayla sah ihr lange nach. Ein
guter Beginn für einen Tag, dachte sie düster. Wieder legte
sie den Kopf in den Nacken und blinzelte hinauf zu der Kunstsonne.
Sie war noch immer grün. Mit einem Schulterzucken ging Sayla
dann weiter und suchte eines der Mobilcabs auf, die am Rand der
künstlichen Gärten auf Passagiere warteten. Denk nicht mehr
an die Sonne, sagte sie sich. Wahrscheinlich gibt es eine völlig
harmlose Erklärung dafür.
Schließlich erreichte sie die gewölbte Wand des
Gartendoms; ein Holo
Projektor warf einen fiktiven Horizont auf die Metallkuppel:
Bewaldete Hügel, die in der Ferne mit einem irdisch anmutenden
Himmel verschmolzen. Auf dem Kunststoffgleis, das die Gärten wie
ein Gürtel umgab, standen ein halbes Dutzend Mobilcabs. Zwei
Meter lange Balken aus Stahlplast, auf denen drei Schalensitze und
die Steuerkonsole befestigt waren. Hexenbesen, durchfuhr es Sayla.
Sie tippte ihr Fahrziel in die Steuerkonsole. Ein Ruck durchlief das
Mobilcab. Leise summend erhob es sich vom Boden und strebte dem
Ausgang entgegen.
Kaum hatte Sayla die künstlichen Gärten verlassen und
ihre Fahrt durch das Geflecht der Verkehrsadern angetreten, durch die
horizontalen und vertikalen Tunnelröhren, in denen Mobilcabs und
computerisierte Versorgungsschweber wie bizarre Blutkörperchen
hin und her huschten, da bemerkte sie die Veränderung. Die
Veränderung war subtil, nicht so offensichtlich wie der
Farbenwechsel der Sonne in den Gärten, aber Sayla besaß
ein feines Gespür für derartige Dinge. Wer in YANINSCHA
leben und überleben wollte, war darauf angewiesen, selbst jene
Nuancen zu registrieren, die der Wahrnehmung normaler Men sehen
entgingen. Die Veränderung war atmosphärischer Natur, eine
wachsende Spannung, die sich nur zum Teil auf die nahende
Jahresauktion zurückzuführen ließ. Sayla kannte die
Atmosphäre am Vorabend der Großen Versteigerung zu gut;
das hier war nicht die vertraute erwartungsfrohe Stimmung, die von
Neugier, Euphorie und Leidenschaft geprägt wurde. Ein Schatten
schien sich über YANINSCHA gelegt zu haben, die Vorahnung
kommenden Unheils, das unausweichlich war und dem sich niemand
entziehen konnte. Diese Vorahnung zeichnete sich in den Gesichtern
der Passagiere ab, die Sayla auf den Mobilcabs entgegenkam; sie sah
in verkniffene Mienen, in starr geradeaus gerichtete Augen, die ihren
Blicken auswichen, als fürchteten sie, ihre geheimen Ängste
bestätigt zu finden. Auch Sayla blieb von dieser Stimmung nicht
verschont. Sie fühlte sich krank und schutzlos, und ihre Fahrt
erschien ihr mit einemmal ohne Sinn.
Warum? fragte sie sich. Warum mache ich weiter, als sei nichts
geschehen? Zum Teufel, der Seher hat mir meinen Tod prophezeit;
sollte dagegen nicht alles andere unwichtig werden? Warum verschwende
ich meine Zeit, die kostbare, knappe Zeit, die mir noch bleibt?
Sie fand keine Antwort auf diese Frage, und sie war froh, als das
Mobilcab ihr Ziel erreichte; die Transportröhre gabelte sich,
und am Ende der linken Abzweigung lag die Kommunikationsstation. Eine
runde, niedrige Halle, die von verglasten Kabinen gesäumt wurde.
Durch das Rauchglas der Zellen sah sie die verschwommenen Konturen
menschlicher und nichtmenschlicher Gestalten. Sayla stieg vom
Mobilcab, das abdrehte und davonschwebte, um den nächstgelegenen
Warteplatz aufzusuchen, und sie ging hastig auf eine der wenigen
freien Kabinen zu.
Ein Krächzen ließ sie den Kopf drehen. Unwillkürlich
blieb sie stehen. Aus einem Seitengang stakste steifbeinig ein
grünhäutiger Extraterrestrier in die Komstation; sein Leib
war kürbisförmig und von einem Ring menschlich
wirkender Augen umgeben. Sayla erinnerte sich an das Fest der
Selbstmörder, an den knochigen Mann, der voller
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