PR2609-Im Reich der Masken
Schiffe flogen blind in einem unberechenbaren und unbekannten Raum. Eine mehr als unangenehme Vorstellung.
Der Bordrechner meldete den Abschluss einer grundlegenden Berechnung. Wenn sie auf diese Weise und in diesem Tempo die gesamte Anomalie absuchen wollten, würden sie nicht nur Jahre, sondern Jahrtausende benötigen.
»Wir brauchen also eine andere Methode«, stellte Eroin Blitzer nüchtern fest. »Die Frage ist nur, wie wir diesen entarteten Raum durchdringen können.«
»Dazu müssen wir zunächst feststellen, auf welche Weise dieser Bereich des Kosmos entartet ist. Eine Art ... Mutation? Ein hyperphysikalisches Phänomen?«
»Und vor allem«, ergänzte der kleine Commo'Dyr, »stellt sich die Frage, ob der Palast der Harmonie tatsächlich gezielt dorthin entführt wurde. Wenn ja, würde das bedeuten, dass jemand diese Anomalie beherrscht. Sie benutzt oder vielleicht sogar erschaffen hat.«
Der Maskenträger dachte nach. »Sende Sonden aus! Zunächst nur knapp über den Rand des geordneten Gebiets hinaus. Wir beobachten, wie lange sich die Verbindung halten lässt und wir Daten empfangen können. Programmiere außerdem eine automatische Heimkehrfunktion, die die Sonden nach wenigen Minuten zurückkommen lässt.«
Er öffnete erneut die Holoverbindung zum Gardeleutnant.
Wieder empfand er ein seltsames Gefühl, als er die Maske seines Gegenübers musterte. Sie verbarg jede Emotion, verlieh Pridon vom ersten Moment an etwas Kühles, Unnahbares.
Mehr als das verwirrte Saedelaere das Bewusstsein, dass er seit Jahrhunderten exakt so auf seine Umgebung wirken musste. Und sogar auf sich selbst, wenn er in sich hineinhorchte. War er überhaupt noch Alaska Saedelaere oder nur noch das Produkt dessen, was das Fragment aus ihm hatte werden lassen?
Er wischte die Gedanken hinweg: Nicht jetzt!
»Es wird schwer, uns zu orientieren«, sagte er zu Pridon. »Wie es aussieht, droht uns allerdings zumindest keine unmittelbare Gefahr.«
»Was sich jede Sekunde ändern kann. Oder ist es dir etwa möglich, in die Umgebung zu orten? Unsere Geräte versagen völlig.«
»Es gelingt uns ebenso wenig wie dir. Wir bereiten gerade erste Sonden vor.«
»Ich glaube nicht, dass es viel helfen wird. Wir sind blind, fremder Freund, ob es uns gefällt oder nicht.« Pridon ächzte. Kurz tauchte seine sechsfingrige Hand im Holoabbild auf. Er fuhr sich damit über den Hals, und das Geräusch schweren Atems ertönte.
»Was ist mit dir?«, fragte Alaska Saedelaere alarmiert.
Es dauerte einige Sekunden, bis der Gardeleutnant antwortete. »Es muss wohl die ... die Anomalie sein. Ihre Ausstrahlung. Viele meiner Männer klagen über starke Kopfschmerzen und Desorientierung. Mich selbst hat es als einen der ersten erwischt. Stellst du nichts dergleichen bei dir fest?«
Saedelaere verneinte. Vermutlich wirkte der Schutz des Fragments bei ihm unmittelbar. Das war ein Grund mehr, die Natur dieser Irregularität im Raum zu bestimmen. Auch wenn er selbst nicht unter den beschriebenen Symptomen litt und offenbar auch nicht der Zwergandroide oder die Firibirim, konnten sich unbekannte Krankheitssymptome doch als verhängnisvoll erweisen.
Die nächsten Worte des Gardeleutnants beruhigten ihn nur mäßig. »Es hält sich in einem erträglichen Rahmen. Unsere medizinischen Roboter stellen bereits Untersuchungen an. Kümmern wir uns lieber darum, den entführten Palast ausfindig zu machen. Die Zeit drängt mehr denn je.«
Saedelaere nickte. »Ich weiß, was dich bedrückt. Die Herzogin und die Bewohner des Palastes ...«
»Korrekt«, unterbrach der Gardeleutnant. Seine Stimme klang scharf; nicht vor Aggression, sondern aus Angst. »Sie sind schon viel zu lange diesen Bedingungen ausgesetzt. Sicher geht es ihnen weitaus schlechter als uns. Wenn sie überhaupt ...« Er brach mitten im Satz ab.
Saedelaere konnte die unterdrückten Worte dennoch hören, als wären sie ausgesprochen worden: Wenn sie überhaupt noch am Leben sind.
*
Der kleine Schiffsverband flog weiterhin blind durch das schwarze Nichts. Die Sonden stellten ihre Übertragung ein, sobald sie das Schutzfeld des Eisbrechereffekts verließen.
Zur Erleichterung aller kam es zu keinen sonstigen Zwischenfällen, was nach einigen Stunden zu einer Art tristen Monotonie führte. Alaska Saedelaere war es gewohnt, lange Zeit mit Warten zu verbringen – und mit Grübeleien, wie andere es wohl nannten.
Er selbst beurteilte es als Reflektieren, über das Wesen des Kosmos, die Ordnung der
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