PR2616-Countdown für Sol
durch den Umzug von Aveda nach Styx würden sie genug räumlichen Abstand bekommen, um den Schicksalsschlag zu überwinden. Sie hatten sich getäuscht. Lia war es in New Tahiti keinen Deut besser gegangen.
Die Eltern hatten es irgendwann nicht mehr ausgehalten und Selbstmord begangen.
War sein Plan denn besser? Der enorme räumliche Abstand zwischen Far Away in den Fernen Stätten und der Milchstraße in der Lokalen Gruppe änderte nichts an Lias Zustand. Korbinian hingegen fühlte sich besser. Die große, sich weit über 200 Kilometer erstreckende Hauptstadt der LFT bot in allen Bereichen Ablenkung. Sie bereicherte seine Emotionalität und sein Wissen. Er lernte viele Menschen und Fremdwesen kennen, ohne mit ihnen in direkten Kontakt zu kommen. Er tat es aus der Küche heraus, in der er arbeitete.
Korbinian Boko hatte sich zum Koch ausbilden lassen.
Auf diese Weise bekam er ein bisschen von der großen weiten Welt mit, wenn Gäste von ihren Heldentaten im Universum berichteten. Vor allem in Andromeda waren die Schlachten in diesem Teil des Universums geschlagen worden, die zum Untergang der Frequenz-Monarchie geführt hatten. Die eigentlichen Auseinandersetzungen aber hatten in der Stardust-Galaxis stattgefunden und in Far Away. Seiner eigentlichen Heimat, auch wenn er sich mittlerweile als Terraner fühlte.
Die Ereignisse von 1463 NGZ im Stardust-System hatte Korbinian zusammen mit seiner Schwester auf Zyx erlebt. Sie waren im Bungalow geblieben und nicht nach Talanis gegangen wie die meisten anderen Funkenkinder. Korbinians besondere Fähigkeit hatte ihn und seine Schwester vor der mentalen Vergewaltigung durch VATROX-VAMU geschützt.
Damals hatte er begonnen, dieses merkwürdige Phänomen zu erforschen, das er mithilfe seiner parapsychischen Fähigkeit erschuf. Inzwischen verstand er es als seinen Eigenraum und er nannte es »meine Klause«.
Er hatte die Größe der Klause so modelliert, dass sie fast den gesamten Bungalow umfasste.
Nachdem VATROX-VAMU besiegt worden war, hatte Korbinians Neugier auf die alte Heimat der Siedler überhandgenommen. Fast täglich hatte er Lia von Terra erzählt. Er hatte ihr Bilder und Trivids gezeigt.
Irgendwann im Herbst hatte er es nicht mehr ausgehalten. Er hatte einen Schwebecontainer mit allen persönlichen Dingen sowie den Möbeln und Kleidern seiner Schwester gepackt, seine Spielsachen und die Wertsachen seiner Eltern dazugefügt und das Haus innerhalb von ein paar Tagen an eine Agentur verkauft.
Stunden später waren sie nach Talanis gereist und noch am selben Abend auf Terra eingetroffen. Wunderbare Wege.
Und da lebten sie nun, und Korbinian wartete seit fast fünf Jahren vergeblich darauf, dass bei Lia eine messbare Besserung eintrat.
»Ich wollte dir eigentlich erzählen, was ich gestern gekocht habe«, sagte er und ergriff Lias Hand. »Eine Terrine von Gänselebermousse mit eingelegten Pfeffermispeln und Brioche. Der Trend geht eindeutig zur guten alten terranischen Küche. Adaptionen gatasischer Rezepte und Getränke oder ertrusische Fleischportionen sind kaum noch gefragt. Der Megaburger ist out.«
Immer wieder warf er einen Blick auf ihr halb herunterhängendes Gesicht. Die Augen blickten klar, sie konnte sehen. Ihr Geist konnte die aufgenommenen Informationen vielleicht sogar verarbeiten. Aber Lia konnte nicht kommunizieren, sich nicht mit anderen austauschen.
So zumindest hatten es ihm die Ärzte auf Zyx erklärt.
Stundenlang brachte Korbinian mit seiner Schwester auf dem Dach zu, bis sich der Servo seiner Wohnung mit einem Signalruf meldete.
»Es ist Zeit. Ich muss zur Arbeit.« Er streichelte die Wange seiner Schwester. »Bei unserer Pflegerin bist du in besten Händen.«
Seit er die Ausbildung beendet und seine Stelle angetreten hatte, war er oft länger als zwölf Stunden außer Haus. So lange konnte er Lia nicht allein lassen, deshalb hatte er eine Halb-Ferronin engagiert, deren Vater als Globist in den goldenen Funkenregen geraten war.
Die Stille Ve wartete schon am Aufzug. Schweigend nahm sie den Überlebenstank in Empfang, während er sein Cape überstreifte und die Röhre nach unten nahm. Eine ganze Weile spürte er den Blick der kupferfarbenen Augen in seinem Rücken.
*
Love in the Bottle : Das Gourmet-Restaurant war seit Jahren ausgebucht. Charles Legrande, der Eigentümer, trug sich mit dem Gedanken, einen weiteren Tempel dieser Art aufzumachen. Die lange Wartezeit kostete ihn Gäste und damit Umsatz.
Im Love in the Bottle
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