PR2617-Der dunkelste aller Tage
getötet hätte, stand auf einem anderen Blatt.
Fünfzehn Minuten nach Mitternacht standen sie vor Bokos Quartier. Als die Stationsleiterin den Kodeschlüssel aktivierte, der ihr alle Privaträume öffnete, griff Reginald Bull nach dem Paralysator an seiner Hüfte. Demonstrativ ließ er die Hand auf der Waffe liegen, auch als Shanda stumm den Kopf schüttelte. Die Mutantin spürte keine Reaktion Bokos.
»Er schläft?«, flüsterte der Resident fast lautlos. Shanda nickte angespannt.
Lautlos sprang die Tür auf. Deb wich zur Seite und ließ Bull und Sarmotte den Vortritt. Hinter den beiden folgten die Roboter.
Das Quartier bestand aus dem Vorraum, einem relativ großen und komfortabel eingerichteten Wohnbereich und dem abgetrennten Schlafraum mit Zugang zur Hygienezelle.
Korbinian Boko lag schlafend auf seinem Schwebebett. Er reagierte nicht einmal, als die Leuchtplatten in der Decke mit minimaler Helligkeit auf die Bewegung der Eindringlinge reagierten.
Absolute Stille herrschte, selbst Bokos Atemzüge waren nicht zu hören. Dabei sah es ganz danach aus, dass Boko schnarchte. Er schlief mit offenem Mund, das Rollen tief in seinem Rachen bei jedem Atemzug war förmlich zu sehen.
Reginald Bull stieß den Schlafenden mit der linken Hand an. Die Rechte lag weiterhin auf dem Paralysator. Das heißt, er wollte Boko wach rütteln, doch seine Hand stieß geradewegs durch den Mann hindurch, ohne auf Widerstand zu treffen.
Nur für eine Sekunde war Bull verblüfft. Es war, als griffe er in ein Hologramm.
Der Resident fuhr herum. »Wo ist der Kerl? Er muss hier irgendwo ...«
»Das ist Korbinian«, sagte Shanda mit Nachdruck. »Ganz sicher. Ich spüre ihn. Aber er ist ... nicht greifbar.«
»Genau das richtige Wort. Wie kommen wir an ihn ran?«
Er versuchte es noch einmal. Als sei der Koch in eine Aura eingehüllt, die ihn der Realität entrückte, fasste Bull abermals ins Leere.
Korbinian Boko wälzte sich herum. Sein Schlaf wurde unruhiger. Irgendwie, fand Bull, passten das grobknochige Gesicht und die Sommersprossen nicht so recht zusammen. Boko wirkte jünger, als er war, und auf gewisse Weise wirkte er leidend. In sich gekehrt.
Bokos Körper verblasste, einen Augenblick später stabilisierte er sich wieder. Bull spürte einen schwachen Widerstand, aber er schaffte es trotzdem nicht, den Mann festzuhalten. Auf unbestimmbare Weise teilentstofflicht, pendelte der Koch zwischen den Wirklichkeiten.
»Was ist mit ihm?«, fragte Shaveena Deb. »Kommen wir irgendwie an ihn heran?«
»Ich kenne da ein altes Hausmittel ...«
»Ein was?«
»Aus der Zeit des Wilden Westens. Ist dir vermutlich unbekannt, Shaveena, hilft aber meist mit durchschlagendem Erfolg.«
Verständnislos schaute sie ihn an. Erst als Bull den Paralysator zog, die Waffe auf Boko anlegte und den Auslöser betätigte, nickte sie zögernd. Zwei Schüsse gab der Resident auf den Schlafenden ab, dann schüttelte er den Kopf. Nichts hatte sich verändert.
»Ich versuche es«, sagte Shanda entschieden. »Bislang habe ich versucht, sein Ego zu erreichen. Dabei hätte mir spätestens hier deutlich sein müssen, dass ich nicht so einfach in ihn eindringen kann. Es ist seine Parafähigkeit, die mir entgegenwirkt. Sein Geist ...
Warte, mein Resident! Das ist eigenartig. Ich verstehe nicht, warum ... Bokos Geist hat noch eine Seite, aber eigentlich ... Es ist sein Inneres, es hat sich umgedreht, wirkt nach außen ... Der Raum, in dem die AMATERASU gefangen ist, das ist Boko. Nein, nicht er selbst, aber eine Erscheinungsweise seines Geistes.«
»Eine Materialisation?«, fragte Bull.
Sarmotte ging nicht darauf ein. »Eigentlich muss ich nur hinausgehen ...«, murmelte sie nachdenklich. »Ja, es gibt nur diesen Weg, um ihn anzurühren. Wenn nicht – möglich, dass er immer in diesem Zustand verweilt.«
»Und die AMATERASU?«
»Die Station wohl auch.« Shanda hatte wie in Trance gesprochen. Nun schüttelte sie sich, war wieder voll da.
»Du musst hinausgehen? Was heißt das?«, wollte Bull wissen.
»Ich muss die Sonnenforschungsstation verlassen, ganz einfach.«
»Das wäre Wahnsinn, du kannst nicht gehen, Shanda. Wir müssen einen anderen Weg finden. Oder hast du schon vergessen, was mit der WI ALPHA geschehen ist?«
Die Telepathin lachte leise. »Die Space-Jet war nur leblose Materie. Ich bin anders. Ich bin Geist und Bewusstsein und damit Boko ähnlich. Ich werde es versuchen, und du kannst mich nicht daran hindern.«
Bull nickte. »Gut,
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