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PR2617-Der dunkelste aller Tage

PR2617-Der dunkelste aller Tage

Titel: PR2617-Der dunkelste aller Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Haensel
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meinetwegen«, stimmte er zu. »Ich will dich gar nicht daran hindern – ich gehe mit dir. Du kannst mich mitnehmen – oder wie soll ich mir diesen Vorgang vorstellen?«
    Shanda zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht, ob das überhaupt machbar ist. Es käme auf einen Versuch an. Aber es ist gefährlich.«
    »Ach ja?«, sagte Bull mit leichtem Spott in der Stimme. »Ich habe mir vor langer Zeit sagen lassen, das Leben an sich sei schon lebensgefährlich.«
    Die Mutantin schaute ihn ungläubig an. Dann grinste sie breit. Es war offensichtlich, dass Reginald Bull mit seiner Bemerkung ihren letzten Widerstand gebrochen hatte.
    »Natürlich wirst du denselben Gefahren ausgesetzt sein, die mich bedrohen. Ich fürchte fast, dass sie für dich noch größer sein werden.«
     
    *
     
    Es war der 15. September. Die Zeitanzeige sprang auf 0.50 Uhr Terrania-Standard um. In der Zentrale der AMATERASU herrschte angespannte Erwartung.
    Das große Holo zeigte eine Mannschleuse auf der Oberseite der Forschungsstation. Zwei Menschen in SERUNS warteten auf den Öffnungsvorgang.
    Ein schmaler Spalt entstand in der Wand und wurde schnell größer. Schwärze gähnte auf der anderen Seite, eine unheimliche, lichtlose Schwärze.
    Gemeinsam traten die beiden Menschen bis an den vorderen Rand der Schleuse. Sie zögerten kurz und stießen sich ab ...
    Die Schwärze verschluckte sie.
    Niemand in der Zentrale redete. Und keiner wandte den Blick von den Holos.
     
    *
     
    Als die Dunkelheit über ihm zusammenschlug, versuchte der Resident, die Hand der Mutantin zu greifen. Aber es war zu spät.
    »Shanda ...?«
    Sie antwortete nicht. Dabei war sie eben unmittelbar neben ihm gewesen. Ihre SERUNS hatten einander in der engen Schleusenkammer fast berührt.
    Reginald Bull streckte die Arme aus und drehte sich langsam um sich selbst. Ein Fehler, wie er sofort feststellte, denn er fand Shanda Sarmotte nicht. Vielmehr glaubte er zu spüren, dass er in einen Abgrund stürzte. Nur der Stahl unter seinen Stiefeln verriet, dass dieses Gefühl trog.
    Er hatte sich von der Schleuse nicht wegbewegt, und eigentlich konnte sie sich noch gar nicht geschlossen haben. Trotzdem vermisste er ihren hellen Lichtschein. Wie ein Leuchtfeuer hätte sich das Viereck in der umgebenden Schwärze abzeichnen müssen.
    »Restlichtaufhellung!«, verlangte er.
    Der SERUN reagierte nicht.
    »Ortung!«
    Das Head-up-Display versagte. Noch einmal rief Bull nach der Mutantin, und wieder wartete er vergeblich auf ihre Antwort.
    Zögernd machte er den ersten Schritt. Womöglich entfernte er sich damit von der Schleuse, das wollte er nicht. Wie angewurzelt stehen zu bleiben behagte ihm indes noch weniger. Wieder rief er nach der Mutantin, ebenso vergeblich wie zuvor.
    Er starrte in die Dunkelheit. Waren da nicht vage Konturen?
    Eine schwache Silhouette zeichnete sich vor ihm ab, und noch während er sich darauf konzentrierte, wurde sie deutlicher. Er schaute über die Forschungsstation hinweg, und dieser Hauch von Kontrast zeigte ihm ...
    Hügel? Ein paar Sträucher, ein einsam im Gelände stehender kleiner Baum.
    Bull kniff die Augen zusammen. Was er gewiss nicht brauchen konnte, waren Trugbilder.
    Aber das Bild verschwand nicht etwa, es wurde deutlicher, wenn auch alles andere als real.
    Eine unbeholfene Skizze, stellte er fest. Wie die Zeichnung eines Kindes, dessen Phantasie seiner motorischen Leistung weit vorauseilte. Ein paar ungelenke Striche als Hügel, der Horizont verschwamm in Beliebigkeit. Andererseits hatte sich der unbekannte Künstler auf Kleinigkeiten konzentriert. Der Ansatz eines Weges vor Bull war sogar mit Schattenschraffur versehen.
    Und der Baum ...? Er war sicher, dass eben erst ein Baum in dieser Landschaft gestanden hatte, die so schrecklich künstlich wirkte. Naiv. Ja, das war es.
    Ein zweiter Baum wuchs aus dem Nichts. Bull starrte geradewegs auf das mit fahrigen Kringeln stilisierte Laubwerk. Die Baumkrone wucherte geradezu.
    »Verrückt«, murmelte Reginald Bull. Er machte einen Schritt vorwärts. Vor ihm, in der verschwommenen matten Düsternis, die allmählich wenigstens die undurchdringliche Schwärze verdrängte, entstand mit schnellen Strichen eine Ruhebank. Auch wenn sie windschief wirkte, sie passte für die menschliche Anatomie.
    »Siehst du das auch, Shanda?«
    Wolken zogen auf. Ihre Schraffur wurde dichter, mit hektischen, kantigen Strichen hingeschmiert.
    Bull wischte über die Helmscheibe. Es war eine eher fahrige, zufällige Bewegung und aus

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