PR2633-Der tellurische Krieg
Mich auszuwählen war eine Fehlentscheidung.«
»Und das entscheidest wohl du«, sagte Muura.
Farro lächelte mitleidig. Sein Alter war schwer zu schätzen, Palfrey entdeckte nicht eine Falte in seinem Gesicht. Es wirkte viel zu glatt, wie ein Spiegelbild der schrecklichen New-Wave-Bilder, die seit geraumer Zeit jede Ausstellung eroberten und mit Preisen überhäuft wurden. Das Leben ohne Spuren, reduziert auf den Kern und vor allem auf Zeitlosigkeit. Falten störten den makellosen Eindruck, waren Ausdruck des Verfalls.
Farros Lachen entblößte zwei Reihen makelloser Zähne. Sie sahen nicht aus, als wären sie nachgezüchtet worden – sie wirkten künstlich exakt. Vielleicht aus eigenem Zellmaterial gewachsen, aber genetisch in Nährflüssigkeit optimiert. Kein ganz billiger Spaß.
»Ich denke, dass du vernünftig genug bist, den Fehler zu korrigieren«, sagte er.
»Vernünftig«, wiederholte Palfrey.
»Ja, natürlich. Gibt es an dieser Eigenschaft etwas auszusetzen?«
»Absolut nicht.«
»Gut, dass du einsichtig bist«, stellte Farro fest.
Muura Palfrey schüttelte den Kopf. »Nimm mit, was du brauchst. Ein Gleiter der CAZADORA wird dich in wenigen Minuten abholen.«
»Anscheinend hast du mich nicht richtig verstanden.«
»Das habe ich. Sehr gut sogar. Du bist einem der Bergungsteams zugeteilt. Unsere Aufgabe ist es, die Trümmer des abgestürzten Ovoidraumers aus dem Meer zu holen und zu untersuchen. Das kleinste Element ...«
»Dafür bin ich die denkbar schlechteste Hilfe ...«
»In der Hinsicht sind wir uns sogar einig.« Zu sehen, wie Farros Gesichtszüge entgleisten, war für Palfrey ein wenig Genugtuung. »Wenn ich das Sagen hätte, würde ich deinem Wunsch sofort nachkommen. Leider habe ich die Entscheidung nicht zu treffen.«
»Wer dann?«
»Was weiß ich? In letzter Konsequenz wahrscheinlich Reginald Bull.«
»Wenn ich mich weigere?«
»Wir haben eine Notstandssituation, und du gehörst zum wissenschaftlichen Team. Damit ist die Sachlage klar, die Anforderung ist für dich bindend.«
Der Mann war ein Schönling. Dass er als Kapazität gehandelt wurde, wollte der Hyperphysikerin nicht einleuchten. Womöglich lag wirklich ein Versehen vor. Er passte nicht ins Team, das war ihr sofort klar geworden.
Du glaubst gar nicht, wie gern ich deinem Wunsch nachkommen würde.
Laut sagte sie: »Ausgangsbasis ist vorerst die CAZADORA, ein Schlachtkreuzer der MARS-Klasse. Wir waren an der Verteidigung gegen die Sternengaleonen beteiligt und koordinieren nun die Wracksuche über der Campechebank und im Golf. Das Schiff steht auf dem Raumhafen von Mexico City. Ich lasse dich mit einem Gleiter abholen. Das ist alles.«
Farro schnappte nach Luft. Gleichzeitig erlosch die Wiedergabe. Er hatte die Verbindung wortlos abgebrochen.
Muura Palfrey wusste nun, was der Sekretär mit seiner Bemerkung gemeint hatte. In diesen zwei Minuten hatte sie Farro hinreichend kennen gelernt. Ihr Fazit: Sie mochte ihn nicht. Er schien einer der Menschen zu sein, die stets ein Haar in der Suppe fanden, sogar wenn gar keine Suppe auf ihrer Rechnung stand. Ein Egomane obendrein.
Er sympathisierte mit der New-Wave-Bewegung, das verriet schon sein gelecktes Äußeres. Dieser Unsinn war aus dem Stardust-System in die Milchstraße herübergeschwappt. Faltenfrei leben, als habe man einen der beiden vakanten Aktivatorchips gefunden. Die ewige Jugend, mehr Schein als Sein.
Wer sich daran beteiligte, war ohnehin mit Vorsicht zu genießen. Zweihundert Jahre betrug die durchschnittliche Lebenserwartung. Wer tatsächlich glaubte, ein Zellaktivator würde für makelloses Aussehen sorgen, sollte sich die potenziell Unsterblichen näher anschauen. Ihre Lebenserfahrung hinterließ deutliche Spuren, und genau die machten sie attraktiv.
Reginald Bull wäre der Mann gewesen, der Muura gefallen konnte. Seine Narben auf der Wange und der Stirn, sein markantes kantiges Gesicht, das Wissen in seinem Blick. Sie hatte sich darüber gefreut, dass Bull das Amt des Terranischen Residenten übernommen hatte. Endlich wurden seine Verdienste entsprechend gewürdigt.
Die Hyperphysikerin war auf dem Ringkorridor stehen geblieben, keine vierzig Meter vor dem Ausrüstungshangar. Anstatt nun weiterzugehen, schaltete sie eine Bildverbindung nach Terrania.
»Spar dir die Aufzählung!«, sagte sie schroff, als Muller sich meldete. »Ich habe eine einzige Frage: Was haben sich die Verantwortlichen im Verteidigungsministerium eigentlich dabei gedacht, als sie
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