Prag
kaiserlichen Hof Rudolfs II. gerufen worden. Angeblich besaß er
eine goldene Nasenprothese – er hatte einen Teil seiner Nase bei einem Duell
in Rostock eingebüßt, dessen Grund ein Wissenschaftsstreit gewesen war. Auch
sein Tod 1601 spricht nicht gerade für einen soliden Lebenswandel, er soll
nach einem Saufgelage an einem Blasenriss gestorben sein. Neuere Forschungen
schließen auch einen Mordanschlag nicht aus – aus diesem Grund sollen die
sterblichen Überreste des Astronomen exhumiert werden.
Hinter den barock anmutenden Fassaden auf der Südseite des Platzes verbirgt
sich meist ein gotischer oder romanischer Kern. Würde man die Stuckarbeiten
abtragen, sähen viele der Häuser aus wie das zur Steinernen Glocke. In der Einhornapotheke (Lékarná U Jednorožce) , der Nr. 17, etablierte sich
zu Anfang des 20. Jh. der literarische Salon Fanta. Bei Berta Fanta gingen
Intellektuelle und Literaten ein und aus, u. a. Franz Kafka, Max Brod, aber
auch Rudolf Steiner und Albert Einstein, der von 1910 bis 1911 an der
Karlsuniversität theoretische Physik lehrte.
Im Uhrzeigersinn weiter folgt das bereits angesprochene → Altstädter
Rathaus (Staroměstská radnice) , der markanteste Bau am Platz. Die
schmucklose Häuserzeile auf dessen Rückseite stand einst in zweiter Reihe.
Den Platz davor, wo sich heute eine kleine Grünfläche befindet, nahm der
neogotische Ostflügel des Rathauses ein. Dieser aber wurde gegen Ende des
Zweiten Weltkrieges von deutschen Truppen so stark beschädigt, dass er
abgerissen werden musste. Nun ist ein Neubau geplant – wie genau der
künftige Annex aber aussehen und was er beherbergen soll, steht noch in den
Sternen. Eine Ausschreibung des Projekts ist schon seit Längerem angedacht.
Der nächste imposante Bau ist die weiße barocke Nikolauskirche ( Kostel sv.
Mikuláše) , die 1732–35 von Kilian Ignaz Dientzenhofer errichtet wurde.
Die prächtigen Fresken an Kuppel und Wänden stellen u. a. das Leben des Hl.
Nikolaus dar (tägl. 10–16 Uhr). Häufig finden in der Kirche Konzerte für
Touristen statt, meist wird zweitklassige Klassik geboten. Nebenan kam Franz
Kafka zur Welt – mehr dazu im Josefov-Spaziergang.
Auf der Nordseite des Platzes hebt sich die gelbe Jugendstilfassade eines
Gebäudes ab, in dem heute das Ministerium für regionale Entwicklung seinen
Sitz hat (Nr. 6). Es gehörte einst einer Versicherungsgesellschaft.
Vermutlich haben ein paar Feuerwehrmänner diese einmal vor hohen
Schadenszahlungen bewahrt – denn einen von ihnen ließ man zumindest
symbolisch unter die sonst so klassischen Giebelheiligen hieven.
Durch die Altstadt (östlicher Teil)
Vom Staroměstské náměstí zweigt die Tynská ab, eine Gasse wie eine
Schlucht. Auf das Haus zur Steinernen Glocke folgt nach wenigen Schritten das
→ Haus zum Goldenen Ring (Dům U Zlatého prstenů) , heute eine große
Galerie moderner tschechischer Kunst. Und nur ein paar Meter weiter gibt es das
wohl skurrilste Museum der Stadt, das → Museum der Schokoladenbilder ( Muzeum čokoládových obrazu Vladomíra Čecha ), hinter dem aber nicht
viel mehr steckt als eine lustige Idee.
Rechts des Hauses zum Goldenen Ring führt ein Durchgang in den Teinhof
( Týn , auch Ungelt genannt,
ein malerischer Hof, der von prächtigen Bauten umgeben ist. Früher mussten
darin Kaufleute ihre Waren verzollen, bevor sie diese auf dem Altstädter Ring
anbieten durften. Heute findet man hier Cafés und Restaurants – manche mit
Preisen, als müssten die Kneipiers auf ihre Speisen und Getränke noch immer
satte Steuern entrichten. Das schönste Haus ist das erste links, ein
Renaissancebau mit Loggia, das einstige Zollhaus.
Verlässt man den Hof durch sein Osttor, steht man vor der Sankt-Jakobs-Kirche
( Kostel sv.
Jakuba) . Sie besticht v. a. durch ihr Inneres. Mitten im hochbarocken
Interieur überrascht ein mumifizierter Unterarm, der gleich rechts hinterm
Eingang angekettet von der Wand baumelt. Glaubt man den Legenden, gehörte
dieses verschrumpelte Gliedmaß einst einem Kirchendieb. Zur Abschreckung
hängt es seitdem da (tägl. 9.30–12 Uhr und 14–16 Uhr).
Der Weg führt weiter zum Platz der Republik
( Náměstí
Republiky) . Hier wurde 2006 das Musicaltheater Divadlo Hybernia (→
Kultur) eröffnet. Der imposante Empirebau war zuvor Kloster, Finanzamt und bis
zu seiner letzten Restaurierung eine gigantische Ruine. Gleiches traf lange auf
den mächtigen Kasernenbau im Tudorgotikstil etwas weiter nördlich zu.
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