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Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition)

Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition)

Titel: Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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drehte mich um. Da stand Steven und hatte sein »besorgtes« Gesicht aufgesetzt – gerunzelte Stirn, mitfühlender Blick –, das Gesicht, das er mir auch an dem Tag präsentiert hatte, als er mich wegen Hayley verließ und fragte, ob ich klarkommen würde. Ich sollte mitspielen und ihm beteuern, dass das alles gar kein Problem war. Aber das tat ich nicht. Stattdessen versicherte ich ihm, dass ich nie wieder richtig im Kopf sein würde. »Gut«, hatte er abwesend erwidert. »Gut.« Und dann war er gegangen, ohne schlechtes Gewissen, weil er sich ehrenhaft benommen und sein Mitgefühl unter Beweis gestellt hatte.
    »Steven, was ist los?«
    »Das sind meine Schuhe. Hayley hat sie in Paris für mich anfertigen lassen. Meine Füße sind dafür extra ausgemessen worden, das hat ein Vermögen gekostet.«
    Ich setzte ein höfliches, aber herablassendes Gesicht auf, das besagte: Und was hat das alles mit mir zu tun? (Notiz an mich selbst: Schuhe anfertigen zu lassen dauert sehr lange. Ich hatte nie genau festmachen können, wie lange die Geschichte zwischen Steven und Hayley eigentlich schon im Gange war. Anscheinend schon seit einer ganzen Weile.)
    Und was bildete sich Hayley überhaupt ein, Steven violette, handgefertigte französische Schuhe zu schenken? Steven interessierte sich für Schuhe ungefähr so sehr wie ich mich für die Paarungsgewohnheiten von Chipspackungen. Aber mir war klar, dass Hayley so wenig einfühlsam und so auf sich selbst konzentriert war, dass sie jemandem etwas schenkte, was sie selbst gern gehabt hätte. (Wie diese blöden Männer, die ihrer Frau zum Geburtstag ein GPS-Gerät fürs Auto schenken und sich wundern, wenn sie einen Schreikrampf kriegt.)
    »Die Sache mit deinen Schuhen tut mir sehr Leid«, sagte Steven. »Dass du bloß noch Einzelstücke hast. Ich hab davon gehört, wie
du hier das erste Mal mit nur einem Schuh aufgekreuzt bist. Naomi hat mich angerufen. Ich bin rübergekommen und hab gesehen, dass du deinen Silberschuh dagelassen hast. Da dachte ich, wenn ich stattdessen meinen teuren handgefertigten hinlege, dann weißt du, dass es mir Leid tut.«
    Hinter meinem höflichen Gesichtsausdruck versuchte ich diese Albernheit zu verdauen. Das Erscheinen des violetten Zauberschuhs an der Stelle meiner Silbersandale war also eine kodierte Entschuldigung dafür gewesen, dass Steven seine Freundin meine Wohnung hatte betreten lassen, wo sie meine Schuhe klaute. Ist das nicht schön?
    Es wäre besser gewesen, wenn er mir meine eigenen Schuhe zurückgebracht hätte, statt einen von sich vor den Pub zu legen. Blödmann. Aber was hatte ich erwartet? Ich musste daran denken, wie ich einmal höllische Zahnschmerzen gehabt hatte und Steven, statt einen Zahnarzt anzurufen und mir superstarke Schmerzmittel zu besorgen, sich zu mir aufs Bett gelegt und mit mir geweint hatte.
    »Aber du kamst jeden Abend wieder her und zogst die Einzelschuhnummer ab. Da wurde mir klar, dass du das mit der Entschuldigung nicht begriffen hattest. Deshalb dachte ich, ich sage es dir lieber noch mal persönlich.«
    »Nimm deinen Schuh.« Ich schob das violette Prachtstück zu ihm hinüber. Ich wollte es nicht mehr, es hatte all seinen Zauber verloren. Heute Nacht würde ich ihn auf meinem Kissen vermissen, aber ich würde mich sowieso irgendwann daran gewöhnen müssen, allein zu schlafen.

Siebenundzwanzig Monate später
    Ich saß in der U-Bahn, als ich einen Mann entdeckte, den ich kannte. Einen Augenblick lang wusste ich nicht, woher. Aber ja, ich war mal mit ihm verheiratet gewesen, richtig?
    Ich könnte nicht behaupten, dass es nett war, ihn zu sehen, es würde nie nett sein, an meine Dummheit erinnert zu werden, aber ich schaffte es immerhin, zivilisiert zu reagieren.
    Ich fragte ihn nach Hayley. Leider ging es ihr gut. Sie und Steven waren immer noch zusammen.
    »Und du?«, fragte Steven. »Bestimmt lernst du auch bald jemanden kennen.«
    »Hab ich schon.«
    »Ach ja?« Er sah ein bisschen erschüttert aus. »Ist es … ähm … ist es was Ernstes?«
    »Ja. Ich bin sehr glücklich. Hier ist meine Station, ich muss raus.«
    Ich stieg aus, für einen kurzen Moment zurückgeworfen in die grässliche, grässliche Zeit, als ich völlig durchgedreht war und nur an Einzelschuhe denken konnte. Als ich mir nicht vorstellen konnte, einen ganzen Tag zu überstehen, als sogar eine Stunde nicht zu bewältigen war, als ich den Prozess des Durchhaltens in einzelne Sekunden aufteilen musste. Schwer zu glauben, wie hoffnungslos

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