Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition)
dass man nie ein Urteil über andere fällen sollte. Jedenfalls nicht, ehe man eine Meile Hand in Hand mit der betreffenden Person zurückgelegt hat …
Irgendwann hatte ich von den Mühen der Instandhaltung die Nase voll. Ich war ununterbrochen in Sorge, musste rund um die
Uhr wachsam sein, und die Nägel schienen immer schneller zu wachsen und immer häufiger abzubrechen. Wenn ich sie mir machen ließ, hielt der warme Glanz ungefähr einen Tag, dann zerkratzte ich mir den Lack oder er splitterte an den Rändern ab und fing an, sich in meinem Pulli zu verhakeln, oder einer meiner welligen echten Nägel erschien unter den glänzenden falschen Exemplaren, was ich zu verdrängen versuchte, indem ich die Schnittstelle überlackierte, aber dann versaute ich das Ganze und hatte den Lack am Ende überall, bis runter zum Daumengelenk …
Am Ende war die Dauersorge zu viel für mich, der Aufwand lohnte sich einfach nicht mehr. Das Leben ist zu lang für so etwas. Jetzt habe ich wieder meine kurzen, stummeligen, missgestalteten Nägel, aber es ist gar nicht so schlimm, wie ich immer dachte. Wenigstens hab ich jetzt in Stresszeiten auch wieder was zum Kauen.
Erstmals veröffentlicht in Marie Claire , Juli 2005.
Der Slip – ein leidiges Thema
Früher waren es Urlaubsprospekte. Wenn ich gestresst oder traurig war, nahm ich einen Stapel davon mit ins Bett (teure Broschüren, für die man manchmal einen Fünfer hinlegen muss), verbrachte viele glückliche Stunden an sonnigen Orten – ohne lästigen Jetlag, ohne bei meiner Rückkehr feststellen zu müssen, dass jemand das Haus ausgeraubt hat – und jedes Mal war ich danach richtig erholt. Aber seit einiger Zeit hat sich mein Interesse spezialisiert: Ich bin besessen von Wellness-Centern. Pausenlos lese ich darüber, und es ist inzwischen so schlimm geworden, dass ich keine Lust mehr habe irgendwohin zu fahren (Städtereisen, Geschäftsreisen, Ausflüge zum Postamt), wo es nicht direkt nebenan ein Spa gibt. Inzwischen bin ich eine ziemliche Expertin auf diesem Gebiet; genau genommen könnte es mein Spezialthema bei Mastermind sein. Lassen Sie mich mein mühsam erworbenes Wissen mit Ihnen teilen.
Termin . Lebenswichtig, denn wie soll man sonst reinkommen und seine Massage kriegen? Aber Achtung! Die schlechte Nachricht ist, dass Sie eine Chance von 58,7 Prozent haben, dass Ihr Termin verschlampt wird. Traurig, aber wahr. Vielleicht kommt das von den ganzen ätherischen Ölen in der Luft, die das Gehirn aufweichen und die Konzentration stören. Wie oft bei der Anmeldung meine Buchung schon verloren
gegangen ist, wie oft man mich schon für den falschen Tag oder die falsche Anwendung gebucht hat … Interessanterweise passiert das genauso oft in den kostspieligen Etablissements wie in den preiswerten. In einem sagenhaften Spa auf dem Barrier Reef hatte man mich ordentlich für all das eingetragen, was ich per E-Mail gewünscht hatte. Aber die Leute dort waren so supereffizient, dass sie mein gesamtes Programm gleich zweimal buchten, und zwar auch noch gleichzeitig. Und dann wollten sie mir tatsächlich für beides Geld abknöpfen. Im weltberühmten Sanctuary hingegen fand man keinen Eintrag für uns, als ich dort zusammen mit meiner Schwester völlig fertig und voller Sehnsucht nach einer wohltuenden Berührung eintraf. Nichts. Obwohl ich meine Kreditkartennummer angegeben und sogar noch einmal angerufen hatte, um den Termin zu bestätigen – nada. (Und sie waren ausgebucht, sie konnten uns nirgends zwischenschieben.) Wenn man bedenkt, dass die meisten Leute ins Wellness-Center gehen, weil sie sich ausgebrannt und in schlechter Verfassung fühlen, ist das wirklich NICHT GUT.
Schallisolierung . Beziehungsweise das Fehlen einer solchen. In vielen Spas sind die Wände so dünn, dass man die Leute im nächsten Raum atmen hört. Und das sind noch die besseren. In den schlechten kann man hören, was die Leute im Nebenzimmer denken . Im außergewöhnlich schönen Agua Spa in London (ich meine, es ist wirklich schön, wie die Vorstellung eines Künstlers vom Himmel), sind die Behandlungsplätze mit Musselinvorhängen voneinander abgetrennt. Haben Sie schon mal so etwas Bescheuertes gehört? Während ich eine Reikibehandlung bekam und mich verzweifelt zu entspannen versuchte, um etwas für mein Geld zu kriegen, jammerte die
Frau auf der Liege neben mir ihrem Therapeuten vor, wie schwer es ist, Mutter zu sein – dass sie sich gar nicht mehr an das Gefühl erinnern könne,
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