Pretty Daemon
Herz.
Offensichtlich erging es Allie nicht anders. Sie stand hinter Timmy und flüsterte auf einmal: »Es tut mir leid, Stuart. Es tut mir wirklich sehr leid.«
Mir verkrampfte sich der Magen. Ich wusste, dass sie sich für nichts hätte entschuldigen müssen, wenn sie mir Freitagnacht nicht das Leben gerettet hätte. Für einen Moment überlegte ich mir, ob ich Stuart nicht einfach auf der Stelle die Wahrheit erzählen sollte. Ich hatte Laura zwar erklärt, warum ich damit bis Mittwoch warten wollte, und diese Gründe trafen auch jetzt noch zu. Allerdings hatten sich die Umstände geändert. Vielleicht war nun wirklich der richtige Zeitpunkt gekommen, endlich reinen Tisch zu machen.
Doch ich kam nicht dazu. Ehe ich mich sammeln und die richtigen Worte finden konnte, winkte Stuart Allie zu sich heran. Während Timmy wie ein kleiner Affe an ihm hing, nahm er ihre Hand. »Es tut mir auch leid. Wollen wir es auf die Pubertät und meine väterliche Überreaktion schieben und es dabei belassen? Was meinst du?«
»Okay«, erwiderte Allie. Ich konnte an ihrer Miene sehen, dass sie ihn nicht ganz verstand.
»Ich will damit sagen, dass ich den Hausarrest aufhebe, Allie.«
»Wirklich?«
»Ja, wirklich.« Er sah mich an – zum ersten Mal seit dem Jahrmarkt. »Einverstanden?«
»Ja«, antwortete ich und klang dabei genauso verblüfft wie Allie.
»Gut. Dann wäre das ja geklärt.« Er stand auf und hielt seinen Sohn noch immer fest an sich gedrückt. »Ich glaube, ich bin heute dran mit Baden.« Er ging mit einem sich windenden Timmy auf dem Arm ins Wohnzimmer. Der Kleine kicherte begeistert.
Allie sah mich mit großen Augen an. Sie war ganz blass geworden. Einige Sekunden stand sie regungslos da, dann lief sie den beiden hinterher. Ich blieb am Küchentisch sitzen und schloss die Augen, um den Geräuschen meiner Familie zu lauschen.
Ich hörte ein lautes Schniefen und dann die Schritte meiner Tochter, wie sie nach oben rannte. Wenige Minuten später ertönten Stuarts gemächlichere Schritte, und das Wasser im Badezimmer der Kinder wurde aufgedreht.
Einen Moment blieb ich noch sitzen und hielt mich an meinem kalten Kaffee fest. Dann stand ich auf und begann, die Küche aufzuräumen.
Dieser Teil des Abends stellte nicht gerade einen Höhepunkt unseres Familienlebens dar. Aber wir hatten ihn alle überlebt. Und das bedeutete schon mal einiges.
Stuart saß auf dem geschlossenen Toilettendeckel und trocknete Timmy mit einem Handtuch ab, als ich eintrat. Ich lehnte mich gegen die Tür und sah den zwei Männern zu. Stuart blickte auf und lächelte. Etwas in seiner Miene bedeutete mir, dass er mir vergeben hatte.
Ich schluckte die Tränen hinunter, die in mir aufstiegen. In diesem Moment war ich mir sicher, dass ich einen solchen Mann in Wahrheit gar nicht verdiente. Eine solche Ehe nicht verdiente. Und auch nicht solche Kinder.
»Kate?«
»Tut mir leid«, murmelte ich und wischte mir hastig über die Augen. »Du bist ein toller Vater.« Ich zuckte mit den Achseln. »Das wollte ich nur sagen.«
»Und deshalb weinst du?«
»Ich befürchte, heute Abend bringt mich mehr oder weniger alles zum Weinen.«
Er wickelte Timmy aus seinem Nemo-Handtuch und gab ihm einen kleinen Klaps auf den nackten Popo. »Zieh dir schon mal deinen Schlafanzug an, ja?«
Timmy streckte seine Daumen in die Höhe und rannte dann nackt aus dem Badezimmer. Zweifelsohne würde ich in fünf Minuten etwa siebenundzwanzig verschiedene Schlafanzüge auf seinem Boden vorfinden. Doch im Moment war ich gewillt, dieses Opfer auf mich zu nehmen.
»Komm her«, sagte Stuart, und ich trat zu ihm. Er zog mich auf seinen Schoß. Ich legte ihm einen Arm um den Nacken und drückte mein Gesicht gegen seine Schulter. »Habe ich das Richtige gemacht?«, wollte er wissen.
Ich lehnte mich zurück, um ihn anzusehen. »Was meinst du?«
»Mit Allie. Dass ich den Hausarrest aufgehoben habe.«
»Natürlich«, erwiderte ich. »Und es tut mir wirklich leid.«
Er schüttelte den Kopf. »Du musst dich nicht entschuldigen, Kate. Ich möchte nur hören, dass du mich liebst.«
»Natürlich«, sagte ich und schmiegte mich an ihn. »Sehr sogar.«
»Das reicht mir für den Moment.«
»Nein, das reicht nicht«, widersprach ich, lehnte mich erneut zurück und betrachtete aufmerksam sein Gesicht. »Ich hätte es dir sagen müssen. Ich hätte sie nicht einfach auf den Jahrmarkt mitnehmen dürfen. Ich hätte dich erst anrufen und es mit dir besprechen müssen. Oder ich hätte
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