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Pretty - Erkenne dein Gesicht

Pretty - Erkenne dein Gesicht

Titel: Pretty - Erkenne dein Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Westerfeld
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sich nehmen, nicht nach allem, was er durchgemacht hatte. "Zane, nein. Das kann nicht deine Schuld sein. Es ist doch so lange her." Sie seufzte. "Vielleicht sind wir ja beide nicht schuld."
    Sie schwiegen eine Weile und Tallys Worte hallten in ihrem Kopf wider. Wo Zane hier vor ihr lag und sein Gehirn zur Hälfte fehlte, welchen Sinn hatte es da, sich in alter Schuld zu suhlen - in seiner, in ihrer, in irgendeiner? Vielleicht waren die Feindseligkeiten zwischen Maddy und ihr so sinnlos wie die Fehde zwischen Andrews Dorf und den Eindringlingen. Wenn sie alle zusammen hier in New Smoke leben wollten, würden sie die Vergangenheit loslassen müssen.
    Natürlich war die Lage noch immer verworren.
    Tally holte langsam Atem, dann fragte sie: "Und was hältst du von David?"
    Zane schaute verträumt zur Gewölbedecke hoch. "Der ist sehr intensiv. Total ernst. Nicht so prickelnd wie wir. Verstehst du?"
    Tally lächelte und drückte seine Hand, "O ja."
    "Und irgendwie … hässlich."
    Sie nickte und dachte daran, wie David sie damals in Smoke immer angesehen hatte, als ob sie hübsch sei. Und manchmal hatte sie, wenn sie ihn angesehen hatte, das Gefühl gehabt, ins Gesicht eines Prettys zu blicken. Vielleicht würden diese Gefühle zurückkehren, wenn sie richtig geheilt war. Oder vielleicht waren sie wirklich verflogen, nicht wegen irgendeiner Operation, sondern einfach, weil Zeit vergangen war und weil sie und Zane etwas Gemeinsames hatten.
    ***
    Als Zane endlich eingeschlafen war, beschloss Tally ein Bad zu nehmen. Fausto beschrieb ihr den Weg zu einer Quelle hinter dem Berg, die um diese Jahreszeit mit Eiszapfen verstopft war, aber tief genug, um mit dem ganzen Körper unterzutauchen. "Aber nimm eine beheizte Jacke mit", fügte er hinzu. "Sonst erfrierst du auf dem Rückweg."
    Tally fand den Tod doch besser als diesen Dreck und wusste, dass es mehr brauchte als eine Abreibung mit einem feuchten Tuch, damit sie sich wieder sauber fühlte. Außerdem wollte sie für eine Weile allein sein, und vielleicht würde der Schock des kalten Wassers ihr den Mut geben, mit David zu sprechen.
    Als sie auf dem Hubbrett durch die kalte klare Nachmittagsluft flog, staunte Tally darüber, wie scharf und hell alles aussah. Es fiel ihr noch immer schwer zu glauben, dass sie in Wirklichkeit gar kein Heilmittel genommen hatte, sie kam sich so prickelnd vor wie eh und je. Maddy hatte etwas über einen "Placebo-Effekt" gemurmelt, als reiche es, sich für geheilt zu halten, damit das Gehirn wirklich heilte. Aber Tally wusste, dass das nicht alles war.
    Zane hatte sie verändert. Vom allerersten Kuss an, noch ehe er selber das Heilmittel genommen hatte, war sie durch das Zusammensein mit ihm prickelnd gewesen. Tally fragte sich, ob sie das Heilmittel überhaupt noch brauchte oder ob sie auch allein für immer so bleiben könnte. Die Vorstellung, die Pille zu nehmen, die Zanes Gehirn zerfressen hatte, war nicht besonders prickelnd, auch wenn es da noch die Anti-Nanos gab. Vielleicht konnte sie ja ganz darauf verzichten und sich auf Zanes Magie verlassen. Sie konnten sich jetzt gegenseitig helfen, er würde sein Gehirn wieder neu verknüpfen, während Tally gegen das Pretty-Denken ankämpfte.
    Immerhin hatten sie es zusammen schon so weit geschafft. Noch ehe die Pillen ins Spiel gekommen waren, hatten sie sich gegenseitig verändert.
    Natürlich hatte auch David Tally verändert. Er war damals derjenige gewesen, der sie überredet hatte in der Wildnis zu bleiben, sogar hässlich zu bleiben, ihre Zukunft in der Stadt aufzugeben. Die beiden Wochen in Smoke hatten ihre Wirklichkeit verändert, und diese Veränderung hatte ... wann eingesetzt? Als sie und David sich zum ersten Mal geküsst hatten.
    "Was für ein Glück!", murmelte Tally vor sich hin. "Dornrös chen mit zwei Prinzen."
    Was sollte sie jetzt tun? Sich zwischen David und Zane entscheiden? Vor allem jetzt, wo sie alle drei hier in Fort Smokey lebten? Es kam ihr einfach nicht fair vor, dass sie in diese Lage geraten war. Tally hatte sich kaum an David erinnern können, als sie Zane kennengelernt hatte - aber sie hatte schließlich nicht darum gebeten, dass alle ihre Erinnerungen gelöscht würden.
    "Noch mal vielen Pank, Dr. Cable", sagte sie.
    ***
    Das Wasser sah wirklich kalt aus.
    Tally hatte mit Leichtigkeit die Eisschicht zertreten, die die Quelle bedeckte, und starrte jetzt zweifelnd in das gurgelnde Wasser. Vielleicht gab es doch Schlimmeres auf der Welt, als zu stinken. Schließlich

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