Pretty - Erkenne dein Gesicht
den Heißluftballons in der Ferne. Sie konnte einige Gestalten erahnen, die sich zehn Stock über ihr auf dem hellen Balkon über das Geländer beugten. Tally hätte gern gewusst, ob auch Specials darunter waren.
Peris war nirgendwo zu sehen. Sie erinnerte sich daran, wie sie als Ugly mit der Bungeejacke gesprungen war, wie die Jacke sie problemlos einen Hang hinab hatte tragen können. Sicher war Peris auf Croys Spur in Richtung Fluss gehüpft. Croy. Sie wollte ihm etwas sagen ...
Tally kam mühsam auf die Beine und drehte sich zum Fluss. Ihr Kopf dröhnte, aber die Klarheit, die über sie gekommen war, als sie sich vom Balkon gestürzt hatte, war noch nicht verflogen. Ihr Herz hämmerte, als am Himmel Feuerwerk hochging und rosa Licht und plötzliche Schatten zwischen die Bäumen zauberte, so dass jeder Grashalm sich als scharfer Umriss abzeichnete.
Alles kam ihr sehr wirklich vor: ihr heftiger Widerwille gegen Croys hässliches Gesicht, ihre Angst vor den Specials, die Umrisse und Gerüche in ihrer Umgebung. Sie hatte das Gefühl, dass ein dünner Plastikfilm von ihren Augen gezogen worden war und sie die Welt mit messerscharfen Kanten sah.
Sie lief den Hang hinab, auf den glitzernden Fluss und die Dunkelheit von Uglyville zu. "Croy!", rief sie.
Die rosa Blumen am Himmel verloschen und Tally stolperte über die verschlungenen Wurzeln eines alten Baumes. Sie kam schwankend zum Stehen.
Etwas glitt aus der Dunkelheit heraus.
"Croy?" Das Feuerwerk ließ grüne Flecken vor ihren Augen herumtanzen.
“Du gibst nicht auf, was?"
Er stand auf einem Hubbrett, etwa einen Meter über dem Boden. Breitbeinig hielt er das Gleichgewicht und er wirkte entspannt. Die graue Seide war durch Pechschwarz ersetzt worden, die grausam-schöne Maske hatte er abgelegt. Hinter ihm schwebten zwei weitere schwarzgekleidete Gestalten, jüngere Uglies, die Schuluniformen trugen und nervös aussahen.
"Ich wollte ..." Ihre Stimme versagte. Sie hatte ihn verfolgt, um ihm zu sagen: Hau ab, lass mich allein, komm ja nie wieder her. Um ihm das ins Gesicht zu schreien. Aber jetzt war alles so klar und intensiv geworden ... Was sie jetzt wollte, war, an diesem hellen Fokus festzuhalten. Croys Einbruch in ihre Welt gehörte dazu, das wusste sie auf irgendeine Weise.
"Croy, sie kommen", sagte einer von den jüngeren Uglies.
"Was willst du, Tally?", fragte er gelassen.
Sie blinzelte unsicher, besorgt, dass die Klarheit verschwinden könnte, wenn sie etwas Falsches sagte. Dass die Barriere sich dann wieder senken würde.
Ihr fiel ein, was er im Treppenhaus gesagt hatte. "Du wolltest mir etwas geben?"
Er lächelte und zog den alten Lederbeutel aus seinem Gürtel. "Das? Ja, ich glaube, du bist so weit. Es gibt nur ein Problem: Jetzt gerade ist nicht der Zeitpunkt, es an dich zu nehmen. Wächter sind unterwegs. Vielleicht Specials."
"Ja, in ungefähr zehn Sekunden sind sie hier", klagte der nervöse Ugly.
Croy achtete nicht auf ihn. "Aber wir hinterlegen es für dich in Valentino 317. Kannst du dir das merken? Valentino 317."
Sie nickte, dann blinzelte sie wieder. Ihr Kopf fühlte sich ganz leicht an.
Croy runzelte die Stirn. "Das will ich hoffen." Er wendete sein Brett mit einer einzigen eleganten Bewegung und die beiden anderen folgten seinem Beispiel. "Später. Und das mit deinem Auge tut mir leid."
Sie jagten auf den Fluss zu, stoben dort in drei unterschiedliche Richtungen auseinander und verschwanden in der Dunkelheit.
"Was tut dir leid?", fragte Tally leise.
Dann merkte sie, dass sie wieder blinzelte und dass ihr Blick sich verschleierte. Sie hob die Hand und berührte ihre Stirn. Ihre Finger wurden klebrig und mehr dunkle Flecken tropften auf ihre Handfläche, als sie sie stumm vor Staunen anstarrte. Endlich verspürte sie den Schmerz, ihr Kopf pochte im Takt ihres Herzens. Der Zusammenstoß mit Peris’ Knie hatte offenbar ihre Stirn aufgeschrammt. Ihre Finger folgten einem Blutfaden, der heiß wie Tränen an der Augenbraue entlang und dann über ihre Wange lief.
Tally setzte sich ins Gras und zitterte plötzlich am ganzen Leib.
Wieder erleuchtete Feuerwerk den Himmel und verwandelte das Blut in ihrer Hand in helles Rot. Jeder Tropfen wurde zu einem kleinen Spiegel, der die Explosionen hoch über ihr wiedergab. Jetzt waren Hubwagen am Himmel zu sehen, und zwar sehr viele.
Tally hatte das Gefühl, dass etwas davonglitt, während sie blutete, etwas, das sie festhalten wollte ...
"Tally!"
Als sie aufschaute, sah sie Peris, der
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